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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Kathleen glücklich verheiratet. Oh ja, er ist ein jähzorniger Tropf. Ich könnte mir vorstellen, dass er auf dem Grundstück in einem Wutanfall auf Darracott losgegangen ist und ihm den Spaten über den Schädel gezogen hat, weil er ihm und Runge nicht beim Auffüllen des Grabens helfen wollte.«
    »Das meinst du aber nicht im Ernst, oder?«, fragte Burden.
    »Wohl nicht. Vielleicht wäre es aber klug, sich einmal in Grimbles Bungalow umzusehen.«
    »Wozu? Das wird er uns nie erlauben. Wir müssten uns einen Durchsuchungsbefehl besorgen.«
    »Sei’s drum«, entgegnete Wexford, »dann besorgen wir uns eben einen. Irgendwie beschleicht mich gerade das Gefühl, als würden wir es bedauern, wenn wir uns nicht darin umgesehen hätten.«

7
    _____
    Wexford hatte zu Der Sohn des Nun gegriffen, blätterte darin herum und las kleine Kostproben, die er anschließend konsterniert ein zweites Mal las. Unterdessen rief Sheila an.
    »Du hast also die Hauptrolle in diesem Tredown-Epos bekommen?«
    »Ist das nicht toll? Ich werde die Jossabi spielen, die Göttin der Liebe und der Schönheit. Weißt du, sie ist eine Art Helena von Troja gewesen. Ihre Entführung hat im Himmel sämtliche Kriege ausgelöst. Sicher hast du doch Der erste Himmel gelesen?«
    »Nein, habe ich nicht«, erwiderte Wexford. »Ich habe kurz hineingeschaut, aber ich mag keine Fantasy-Bücher. Wenn ich Romane lese, möchte ich in den Figuren echte Menschen wiederfinden, die mir vielleicht bekannt vorkommen, und keine unsterblichen Götter oder Dinosaurier.«
    »Aber Paps, das ist doch in Der erste Himmel der springende Punkt. Sämtliche Leute wirken echt. Es ist ein wunderbares Buch, das man nicht aus der Hand legen kann.«
    »Ich schon. Wenn es auch nur entfernte Ähnlichkeit mit Der Sohn des Nun besitzt, ist es mir schleierhaft, warum jemand daraus einen Film machen möchte. Also, worum geht es denn bei dieser weiblichen Genitalverstümmelung?«
    »Ihr habt doch in Kingsmarkham eine ziemlich große Zahl Somalis, und deshalb dachte ich mir, ich sollte meine Kampagne darauf abstellen. Sylvia teilt diese Ansicht. Ich habe gerade mit ihr gesprochen. Unsere Kampagne hat folgendes Ziel: Im Rahmen einer jährlichen ärztlichen Untersuchung soll bei allen Mädchen zwischen drei Monaten und zwanzig Jahren, die hier leben, aber Wurzeln am Horn von Afrika haben, sichergestellt werden, dass sie nicht verstümmelt wurden. Ihr könntet den ersten Schritt tun und dafür sorgen, dass die Hausärzte mitmachen. Und wenn man dann einen neuen Fall entdeckt, könntet ihr ein Gerichtsverfahren einleiten.«
    »Wahrscheinlich würde das der Polizei eher eine Anklage wegen institutionalisiertem Rassismus eintragen«, entgegnete Wexford. »So etwas geht nur, wenn man alle Mädchen untersucht, nicht nur die Afrikanerinnen, und dazu fehlen dem staatlichen Gesundheitsdienst die Mittel. Oh, ich weiß schon, was du sagen wirst. Ich hasse dieses Ritual genauso wie du, allerdings habe ich eine realistischere Einstellung gegenüber dem, was machbar ist und was nicht.«
    »Ich will dir mal was sagen«, warf Sheila ein. Jetzt war sie sauer. »Wenn es sich um weiße Mädchen handeln würde, würde das ganze Land empört aufschreien. Wetten?«
    Er rief nach Dora und überließ Sheila ihrer Mutter. Unwillkürlich musste er bei der Rolle einer Göttin der Liebe und der Schönheit an das Mädchen aus dem indischen Restaurant denken – an Matea. Könnte sie eine Somali sein? Und wenn ja, war sie …? Allein der Gedanke, irgendeine alte Frau könnte ohne Betäubungsmittel mit einem scharfen Stein ihr empfindliches Fleisch abschaben, war so abscheulich, dass er alles aufbot, um ihn zu verdrängen, und dabei erneut zu Der Sohn des Nun griff.
    Offensichtlich handelte es sich um eine Neuauflage. Der Roman war erstmals Mitte der Achtzigerjahre erschienen und gehörte zu einer ganzen Reihe, die Tredown nach Geschichten des Alten Testaments geschrieben hatte. Andere Bücher basierten auf der Geschichte von Samuel, auf Davids Triumphzügen und auf den Missetaten von Ahab und Jezebel. Die traurige Geschichte von Jephthas Tochter hatte Tredown unter dem Titel Das erste Geschöpf vor seinen Augen nacherzählt. Jetzt fiel es Wexford wieder ein: Jephtha hatte Gott zum Dank für den Sieg im Kampf törichterweise versprochen, er würde das erste Lebewesen opfern, dem er bei seiner Rückkehr in der Nähe seines Hauses begegnen würde. Der Idiot hätte sich doch ausrechnen können, dass es seine Tochter sein würde,

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