Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
ganze Register auf. Und doch hatte er durch die Bildschirmfüllsel, die ihn erreicht hatten, den Faktor Zeitverschwendung erst richtig gespürt. Da gab es Leute, die ihm von weiblichen Verwandten berichteten, die 1981 oder 2002 verschwunden waren. Andere erzählten ihm, wie sehr sie sich für diese Ermittlung interessierten, und ob er nicht einen Job für sie hätte. Wieder andere baten irrsinnigerweise um ein persönliches Treffen, darunter eine Frau, die ihre sämtlichen persönlichen Daten angab, inklusive Haar- und Augenfarbe, Alter, Ausbildung und Berufslaufbahn, und für den nächsten Donnerstag ihr erstes gemeinsames Rendezvous vorschlug.
    Der Brief schien aus einer anderen Ära zu kommen als die E-Mails und bediente sich einer Sprache, die er längst für ausgestorben gehalten hatte. Er begann mit »Sehr geehrter Herr« und war mit »Hochachtungsvoll Irene McNeil« unterzeichnet. Sie schrieb ihm, »seit dem Besuch dieses farbigen jungen Mannes« sei ihr etwas eingefallen, was er ihrer Überzeugung nach unbedingt erfahren müsse, und da sie nicht wisse, wie sie sonst Kontakt zu ihm aufnehmen könne, würde sie eben schreiben. Zum Telefon habe sie kein Zutrauen, und das bereits seit ihrer Kindheit, als sich ihre Eltern 1933 »ein Telefon hatten legen lassen«. Besagtes »Etwas« aus ihrer Erinnerung betreffe »den Untermieter das alten Mr. Grimble«. Dass Arthur Grimble einen Untermieter gehabt hatte, hörte Wexford zum ersten Mal. Trotzdem schien ihm eine mögliche Verbindung zu diesem Fall unwahrscheinlich. Er las weiter.
    »Ich konnte von meinen vorderen Fenstern aus alle Vorgänge beobachten«, schloss Mrs. McNeil ungeniert.
    Burden und Coleman hatten einen Durchsuchungsbefehl für Sunnybank. Man hatte Grimble zwar um Erlaubnis zum Betreten gefragt, aber er hatte mit der Bemerkung abgelehnt, da er selbst seit elf Jahren keinen Fuß mehr hineingesetzt habe, sähe er nicht ein, warum es die Polizei tun sollte. Das verzögerte die Sache etwas, wenn auch nicht lange. Burden, der normalerweise keine poetische Ader hatte, meinte später zu Wexford, beim Betreten habe er an Forscher denken müssen, die sich erst durch einen Dschungel arbeiten mussten, um in den Tiefen eines Waldes ein antikes Grab zu entdecken.
    »Hoffentlich hat dich der Geist des Ortes nicht mit einem Fluch belegt«, meinte Wexford.
    Damon entfernte die Schrauben, mit denen man die Sperrholzplatte über der vorderen Eingangstür befestigt hatte. Eigentlich hatten sie dahinter mit der Türplatte gerechnet, aber da gähnte nur ein Loch. In dem Halbdunkel entfaltete sich die ganze Palette des Verfalls. Es roch nach Verrottetem, nach Staub, Schimmel, Moder und Fäulnis. Nicht alle Fenster waren verrammelt. Der Grund dafür entbehrte jeder erkennbaren Logik. In dem ersten Raum, den sie betraten, war es so hell, dass sie sehen konnten. Das Haus war immer noch möbliert, wirkte allerdings abstoßend wie ein Gespensterreich. Tisch und Stühle waren mit einer grauen Staubschicht bedeckt, Spinnweben verbanden wie bei einem primitiven Beleuchtungssystem aus locker verschlungenen Kabeln Lampenschirme mit Kaminsimsen und Bilderrahmen. Die Fensterscheiben waren zerborsten, und von einer zerbrochenen Stange baumelten fleckige Vorhangfetzen. Die Feuchtigkeit hatte auf der Zimmerdecke seltsame Muster hinterlassen. Einige glichen Teilen des menschlichen Körpers – hier ein Bein in einem hochhackigen Schuh, da ein Kopf ohne Körper –, während andere an die Landkarte eines Inselarchipels oder an Nahaufnahmen von der Mondoberfläche erinnerten.
    Auf einem Esstisch, der mit weißen Ringen von heißen Tassen und mit schwarzen Brandspuren von vergessenen Zigaretten verunziert war, stand eine Glasvase, in der sich ein schmutzig-brauner Belag abgesetzt hatte. Sie trug noch zu Stroh vertrocknete Blumenstängel, die unter Damons Berührung zu Staub zerfielen. Hier war der Geruch noch durchdringender. Offensichtlich lag das hauptsächlich an den verschimmelten Wänden, auf denen die aufsteigende Feuchtigkeit zu braunen schorfartigen Krusten ausgeblüht war. Der durchdringende Geruch ließ sich kaum verdrängen. Damon begann zu niesen.
    »Gesundheit«, rief Burden automatisch.
    »Übrigens, Sir, wonach suchen wir eigentlich?«, wollte Damon wissen, nachdem sein Niesanfall vorbei war.
    »Irgendetwas«, sagte Burden. »Keine Ahnung. Nach Spuren von Arthur Grimbles Untermieter? Er hatte einen Untermieter, der ausgezogen ist oder auch nicht. Ist alles ein bisschen vage. Als

Weitere Kostenlose Bücher