Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
eine Spinne, mit einem langen Schwanz …«
    Doris Lomax unterbrach sie. »Oh nein, meine Liebe. Einen Pullover habe ich ihm gestrickt, aber der war einfarbig blau. Vielleicht hat er so ein Ding gehabt, aber das weiß ich nicht.« Doch dann fiel ihr etwas Unerfreuliches ein: »Sie meinen doch nicht, ach, nein, damit wollen Sie doch nicht sagen, dass man etwas gefunden …«
    »Noch sind wir uns nicht sicher, Mrs. Lomax. Wir können es wirklich nicht behaupten, aber möglich ist es.« Um diesen Satz kam sie nicht herum.
    »Ach, armer Charlie, armer Charlie. Wissen Sie, er war nicht ganz richtig im Kopf, aber so ein netter Junge. So ein braver Junge.« Jetzt kam ihr noch ein unglückseliger Gedanke. »Wollen Sie vielleicht, dass ich mitkomme und ihn anschaue? Ein bisschen kann ich noch sehen – also, irgendwelche Umrisse. Trotzdem möchte ich nicht – könnte ich nicht …«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Hannah. »Natürlich nicht.«Sie fügte nicht hinzu, dass es außer dem nackten Knochengerüst eines Mannes, wie es alle Menschen besitzen, nichts zu sehen gab. »Noch etwas … Können Sie mir sagen, welche Haarfarbe Charlie hatte?«
    »Seine Mutter war blond, aber von der Cummings-Seite waren alle dunkel. Charlie ist ziemlich dunkel gewesen.« Sie musterte Hannah intensiv. »Nicht ganz so dunkel wie Sie, meine Liebe, aber in diese Richtung.«
    Hannah spürte einen verzweifelten Wunsch in sich aufkeimen: Hoffentlich handelt es sich bei der Leiche aus Grimbles Keller nicht um Charlie Cummings. So ein Wunsch sah ihr gar nicht ähnlich, aber sie wollte einfach nicht, dass diese alte Frau noch mehr Leid ertragen müsste. Jetzt kam ihr eine Idee: »Mrs. Lomax, wie groß war denn Charlie?«
    »Nicht sehr groß für einen Mann, meine Liebe. Vielleicht fünf Fuß fünf oder sechs.«
    Mrs. Lomax hätte zwar Hannahs erleichterte Miene nicht sehen können, aber ihren leisen Stoßseufzer hörte sie. »Danke, Mrs. Lomax, Sie haben uns sehr geholfen. Meiner Ansicht nach können Sie sicher sein, dass es sich nicht um Charlie Cummings handelt.«
    »Wirklich, meine Liebe? Aber irgendwo liegt er doch und ist tot, oder?«
    Im Restaurant Auf der Suche nach Indien herrschte dunkle Kühle. Ein Deckenventilator zerteilte gemächlich die Luft und ließ die mit rot-blau-goldenen Figuren bemalten Fähnchen an den Wänden sachte flattern. Ob es sich dabei um typisch indisches Dekor oder um verfrühten Weihnachtsschmuck handelte, konnte man nicht erkennen. Wexford und Burden wurden zu dem Tisch begleitet, den Rao, der Eigentümer, allmählich als »ihren« Tisch bezeichnete.
    Burden trug einen anthrazitfarbenen Seidenanzug mit messerscharfen Bügelfalten und langem Revers. Sehr distinguiert, trotzdem war und blieb es Seide , was Wexford ein wenig übertrieben fand, auch wenn er das für sich behielt. Dazu hatte Burden ein schlichtes weißes Hemd samt einer hellgrauen Krawatte mit senkrechten, leicht versetzten schwarzen Streifen kombiniert. Anscheinend wollte er damit den Effekt des Anzugs ein wenig überspielen. Vielleicht war es ihm auch selbst bewusst, dass er übertrieben hatte. Matea, die schöne junge Somali, brachte die Speisekarten und fragte sie leise mit ihrem schweren Akzent, was sie trinken wollten. Selbstverständlich Wasser, etwas anderes käme nicht in Frage. Wexford fragte sie, ob man den Ventilator ausschalten könne, und sie meinte, sie würde es Rao sagen.
    Kaum war sie hinter dem Perlenvorhang verschwunden, meinte er zu Burden: »Wenn ich nicht wüsste, dass du ein treuer Ehemann bist, hätte ich dich in Verdacht, dass deine elegante Aufmachung nur darauf abzielt, Matea zu beeindrucken oder sogar anzumachen.«
    »Völliger Blödsinn.« Burden wurde nie rot. Sein Gesicht behielt stets den ebenmäßigen hellen Teint, egal, wie peinlich etwas war. »Heute Morgen habe ich beim Anziehen noch nicht einmal gewusst, dass wir hierherkommen würden. Es war deine Idee, falls du dich erinnerst. Apropos, da wir schon mal Tacheles reden: Ich hege gegenüber Matea Gefühle wie ein Vater, vielleicht auch wie ein Onkel.«
    »Tatsächlich? Hoffentlich fängst du nicht an, den Leuten den alten Witz zu erzählen, dass sie deine Nichte ist. Bei deinem Teint würde dir das niemand glauben.«
    Burden lachte. »Bezüglich der Kellerleiche und Charlie Cummings hast du dich geirrt. Unser Unbekannter ist dazu viel zu groß gewesen.«
    »Ja.« Wexford zögerte. »Weiß Gott, wer es ist. Wir wissen lediglich, dass es sich um die Überreste eines

Weitere Kostenlose Bücher