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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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etwas.«
    »Vielleicht«, sagte Wexford.
    Heute war Halloween, ein Brauch, der ihm zuwider war. In jedem Fenster, das er auf dem Heimweg passierte, besser gesagt, in jedem Fenster, hinter dem Kinder wohnten, hing entweder ein Mobile mit einem Wackelskelett, oder es stand ein grinsender hohler Kürbiskopf darin. Auch die Guy Fawkes Night gehörte nicht zu seinen Lieblingsbräuchen, war aber immer noch besser als dieser neumodische Mummenschanz. War der alte englische Brauch ein Auslaufmodell, das in Kürze von dieser seichten schwarzen Magie abgelöst werden würde? An seiner eigenen Straßenecke kam er an einer Gruppe schwarz gekleideter Halbwüchsiger vorbei, die sich unter einer Straßenlampe getroffen hatten. Sie hatten sich Wangen und Stirn mit grünen und lila Flecken bemalt, die im künstlichen Licht aufglommen. Nur einer hatte sein Gesicht zu einer Art Totenschädel geschminkt. Trotz ihrer Forderung, »Gib uns Süßes, sonst gibt’s Saures« gelang es ihnen nicht, sein Schweigen zu durchbrechen. Ohne einen zweiten Blick an sie zu verschwenden ging er weiter.
    Dora war nicht da. Sie war zu Sylvia hinübergefahren, um bei Mary Babysitter zu spielen. Das Haus war leer. Er schenkte sich ein Glas Rotwein ein und stellte sich an eines der Vorderfenster mit Blick auf die Straße, bis seine Anwesenheit zuerst eine Gruppe von den Süß-Sauren anzog und danach zwei Jungs, die Halloween mit Guy Fawkes Night vermischten und ein selbst gebasteltes Skelett im Rollstuhl den Vorgartenweg hinaufkarrten. Als in einem der Nachbargärten die ersten Feuerwerkskörper knallten, zog er die Vorhänge vor und sich selbst ins Innere des Hauses zurück. Zuerst gab es eine Reihe von Explosionen, dann zischte mit einem schrillen Pfeifton eine Rakete ab. Im Haus nebenan begann der Hund zu jaulen.
    Er ging in die Küche, holte aus dem Ofen die Lasagne, die ihm Dora hergerichtet hatte, und setzte sich zum Essen an den Küchentisch. Es klingelte, und jemand betätigte den Türklopfer. Er achtete nicht darauf. Als er fertig gegessen hatte, schenkte er sich ein zweites Glas Wein ein und trat an das schmale Fenster rechts neben der Haustür. Da bei ihm kein Licht brannte, konnte er von hier aus ungesehen die Straße beobachten. Bald würde Dora zurückkommen. Wenn er diese Süß-Sauer-Bande nicht bremste, würden sie Dora belästigen, sobald sie in die Einfahrt einbog.
    Das Telefon läutete und rief ihn fort. Es war Sheila, die unbedingt über die Planungen für den Film Der erste Himmel reden wollte. Das Feuerwerk machte auch vor Sheilas Haus in Hampstead einen ohrenbetäubenden Krach, und nicht nur hier. »Entschuldige, mein Schatz, wir werden diese Unterhaltung ein andermal fortsetzen müssen«, sagte er gerade, da knatterte eine Serie Kracher wie ein Maschinengewehrfeuer los und machte jedes weitere Gespräch zunichte. Unmittelbar nach den Explosionen klopfte es wieder an der Haustür. Er hatte gerade den Hörer aufgelegt. Eigentlich klopfte es sogar mehrmals. Es klang wie ein Echo des Feuerwerksgeknatters, als hätte sein Besucher zuvor schon vergeblich zu klingeln versucht.
    Selbstverständlich würde er darauf nicht reagieren. Vielleicht war es ja nur ein unschuldiges harmloses Halloweengespenst, das auf eigene Faust durch die Gegend streifte und nicht wusste, dass in dieser Straße kein Hausbewohner so unklug war, am 31. Oktober die Haustür zu öffnen. Trotzdem würde er nicht aufmachen. Es klingelte erneut. Diesmal klang es wie eine ziemlich ängstliche und unsichere Aufforderung. Ihm war nicht klar gewesen, dass man von dieser Stelle aus nur die Seitenwand des Vorbaus sehen konnte. Gerade wollte er aufgeben, da drehte er noch im Weggehen den Kopf zurück.
    Der Besucher, der geklopft und geklingelt hatte, hatte es ein letztes Mal versucht und zog gerade die Gartentür hinter sich zu. Das war kein Halbwüchsiger, kein Junge, kein Mädchen, sondern eine Frau. Sie trug eine Kopfbedeckung und hatte sich in einen dicken dunklen Mantel gewickelt. War es vielleicht Matea? Dem aufrechten Gang und dem leichten Schritt nach hätte sie es sein können. Nebenan explodierte ohne Vorwarnung eine Feuerwerksrakete und blendete ihn vorübergehend. Als er wieder sehen konnte, war die Frau verschwunden.
    Er brauchte einen Moment, um seine Schlüssel zu finden. Er fischte sie aus der Tasche seines Regenmantels, schloss hinter sich ab und rannte hinter ihr her, die Straße hinauf. Sie musste nach links oder rechts abgebogen sein. Aber es war nichts mehr

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