Inspektor Bony 29 - Gefahr fuer Bony
irrtümlich für ein Känguruh gehalten worden war – besonders bei schlechten Lichtverhältnissen. Sogar bei Jagdausflügen, wo doch jeder damit rechnete, einem Partner zu begegnen, waren derartige Irrtümer passiert. Hier draußen aber rechnete man normalerweise nicht damit, einem Menschen zu begegnen. Des Rätsels Lösung war deshalb so schwierig, weil es praktisch keinen Verdächtigen gab. Da kommt ein Fremder in diese Gegend, und keiner der wenigen Menschen, die in der Nähe waren, hat einen erkennbaren Grund, ihn zu töten. Daß die Viehdiebe mit dem Mord zu tun hatten, war unwahrscheinlich. Sie würden es vermeiden, jede Aufmerksamkeit zu erregen. Ihre Aktionen mußten so heimlich und so schnell geschehen wie ein nächtlicher Bankraub.
Die Viehdiebe wußten genau, daß sie ungestört zu Brunnen zehn gelangen konnten, und von dort aus zu einer Stelle, wo die Rinder von keinem Fencer mehr gesehen werden konnten. Levvey hatte Bohnenstange gesagt, daß er an diesem Tag nicht nach Quinambie fahren würde, weil er westlich der Stammfarm zu tun habe. Er hatte sich also mit seinen Leuten weit vom Zaun entfernt aufgehalten, an dem die gestohlenen Rinder entlanggetrieben worden waren. Die Entfernung dürfte ungefähr neunzig Meilen betragen haben. Irgend jemand mußte die Viehdiebe also informiert haben, daß in dieser Nacht die Luft rein war. Zunächst einmal hatte Bohnenstange davon gewußt, zweifellos aber auch der Verwalter von Quinambie, außerdem Charlie der Spinner, Häuptling Moses und schließlich Nugget und seine Sippe.
Mr. Kent beendete die Lebensgeschichte seines Cousins, stand auf und goß Wasser ins Kochgeschirr, um Tee aufzubrühen. Durch dieses Geräusch wurde Bony aus seinen Grübeleien aufgeschreckt. Er ließ eine angemessene Zeit verstreichen, um den Eindruck zu erwecken, aufmerksam zugehört zu haben.
»Du führst nicht zufällig Tagebuch?« fragte er dann. »Wieso weißt du dann, wann es Zeit ist, hier auf Levvey zu warten und ihm die Bestelliste mitzugeben?«
»Das ist ganz einfach, Ed. Ich habe mal von einem Mann gelesen, der keinen Kalender besaß. Er behalf sich mit einem Stock, in den er jeden Tag eine Kerbe schnitt. Und jeden Abend mache ich ebenfalls eine Kerbe in einen Stock. Ich beginne stets an dem Tag, an dem ich hier losmarschiere. Zweimal habe ich es vergessen, und da mußte ich nach Quinambie gehen und mir meine Rationen selbst holen.«
»Dann folgst du dem Buschpfad, der an Brunnen neun vorbeiführt. Wie weit entfernt von diesem Pfad ist Brunnen sechs?«
»Wenn man sich ungefähr vier Meilen vor der Stammfarm befindet, liegt er sieben Meilen seitlich ab.«
»Bist du schon mal bei Brunnen sechs gewesen?« bohrte Bony weiter.
»Nein, dazu bestand kein Grund. Außerdem kampieren dort meist die Schwarzen.«
»Weißt du, wie lange Nugget seine Savage besitzt?«
»Die hat er sich bei dem Hausierer gekauft, als der das letztemal in Quinambie war. Laß mich überlegen. Das muß einen Monat vor dem Mord gewesen sein. Zuvor besaß er eine Winchester – genau wie ich.«
In diesem Augenblick begann das Teewasser zu kochen, und wenig später breiteten die beiden Männer ihre Schlafdecken aus. Erst am nächsten Morgen kam Bony erneut auf Nuggets Gewehr zu sprechen.
»Was hat Nugget mit seiner Winchester gemacht?«
»Keine Ahnung, Ed. Vielleicht hat er sie an die Schwarzen verkauft. Die treiben ja mit allem möglichen Handel. Wirklich komisch mit den Abos. Man kauft sich eine Hose, und in der nächsten Woche trägt sie bereits ein anderer. Und genauso geht es mit den Gewehren. Man kauft sich ein Gewehr, und alle möglichen Kerle ballern damit herum.«
»Und einer von ihnen hat um ein Haar Nugget erschossen?«
»Ja, Nugget hätte es beinahe erwischt. Er hat sich fürchterlich aufgeregt.«
»Wann war das?«
»Ach, einige Zeit, bevor sich Nugget die Savage kaufte.«
»Meinst du nicht, daß sich Nugget dann hüten würde, seine Winchester an die Schwarzen zu verkaufen? Ich glaube, Newton hat mir erzählt, Nugget habe sich bitter beklagt. Man solle den Schwarzen überhaupt keine Waffen verkaufen.«
»Dann müßte Nugget seine Winchester noch besitzen. Aber wie gesagt, genau weiß ich das nicht. Ich brühe jetzt Tee auf. Vielleicht hat er die Büchse Mary gegeben. Ich weiß nicht, ob dir bekannt ist, daß Mary die Schwester seiner Frau ist. Eine gutaussehende Lubra von ungefähr Fünfundzwanzig. Wenn ich ihr mal allein begegnen würde, würde sie mir wohl kaum entwischen.«
»Sie
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