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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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dem Schreibtisch standen fein säuberlich aufgereiht Miss Bracegirdles Habseligkeiten: ein paar Cremetöpfchen, Kamm und Bürste, ein kleines Foto in einem Silberrahmen. Jury stand in der Tür, um Laskos Team nicht im Weg zu sein, und konnte deshalb das Gesicht auf dem Foto nicht sehen. Aber dieser Versuch, etwas von ihrem Zuhause mit auf die Reise zu nehmen, kam ihm irgendwie sehr traurig, sehr rührend vor. Die Zimmer von Mordopfern wirkten immer so auf ihn: Vielleicht hatte man ihn so darauf gedrillt, jedes Detail wahrzunehmen, daß die Gegenstände für ihn lebendig wurden: Das Bett schien bereit, das Gewicht des Körpers aufzunehmen; der Spiegel, das Gesicht zu reflektieren; der Kamm, das Haar zu berühren. Gwendolyn Bracegirdles Gegenwart haftete diesen Dingen an wie ein Geruch, obwohl sie nur ein paar Tage in diesem Zimmer gewohnt hatte.
    Bevor Lasko sich daranmachte, die Schubladen zu durchsuchen, sagte er zu Jury: «Warum unterhältst du dich nicht etwas mit der Wirtin?» Sein Blick war flehend.
    «Mach ich», sagte Jury. Wo er schon einmal da war …
     
    Mrs. Mayberry stärkte sich in ihrem FrühstFrühstücksund-Empfangs-Saloniner Tasse Tee. Auf der Anrichte brannte hinter einem zartrosa Lampenschirm eine schwache Glühbirne. Die Anrichte selbst bewies ihm, daß er recht gehabt hatte, was das Frühstück betraf: Neben zwei winzigen Saftgläsern, die sich mit einem großen Schluck leeren ließen, standen mehrere Cornflakes-Pakete. Es gab drei runde Tischchen mit ein paar zusammengewürfelten Stühlen; auf jedem Tisch standen ein paar Gewürzdöschen, die scheinbar ebenfalls eher zufällig dorthin gekommen waren. Senf zum Frühstück?
    «Sie kam letzten Samstag hier an», sagte Mrs. Mayberry, «zur selben Zeit wie das Ehepaar auf Nummer zehn. War aber nicht mit ihnen zusammen; sie kannte diese Leute gar nicht.»
    «Hat sie sich denn in den paar Tagen, die sie hier war, mit jemandem angefreundet?»
    «Ja nun, woher soll ich das wissen? Ich lasse meine Gäste in Ruhe. Morgens bin ich in der Küche. Man muß heutzutage schon aufpassen, daß das Frühstück auch in Ordnung ist, daß die Zimmer saubergemacht sind und so weiter. Was gekocht werden muß – Eier und dergleichen –, wird im voraus gekocht, da alle zur selben Zeit runterkommen. Obwohl es ab halb acht Frühstück gibt, traben sie Punkt neun hier an –» Sie strich sich das krause Haar aus der Stirn und schüttelte den Kopf. «Um elf müssen die Gäste die Zimmer räumen, dann werden die Betten frisch überzogen –»
    Jury, der das Gefühl hatte, ein Einstellungsgespräch zu führen, unterbrach sie: «Ja, das bringt bestimmt viel Arbeit mit sich. Aber es muß doch jemanden gegeben haben, mit dem sich Miss Bracegirdle ab und zu traf.»
    «Vielleicht hat sie sich mit meiner Patsy unterhalten, sie serviert das Frühstück und macht die oberen Zimmer sauber. Heute hat sie sich mal wieder krank gemeldet – ich hätte sie am liebsten gefeuert.»
    Jury unterbrach diese Aufzählung häuslicher Kalamitäten: «Hat sie vielleicht irgendwelche Anrufe bekommen?»
    «Nein, nicht daß ich wüßte. Aber fragen Sie mal Patsy. Meistens nimmt sie das Telefon ab.»
    Das Gästebuch, das Mrs. Mayberry voller Stolz von dem kleinen Tisch auf dem Gang hereingeholt hatte, lag aufgeschlagen vor Jury. Er betrachtete Gwendolyn Bracegirdles kleine, verschnörkelte Unterschrift und sagte: «Sarasota, Florida.»
    «Ja, richtig, Florida.» Sie fingerte an der Ketchupflasche herum. «Ich hab schon jede Menge Gäste aus Florida gehabt. Ich selbst hätte auch nichts gegen einen kleinen Urlaub, aber wie Sie sehen, ist hier so viel zu tun, daß ich einfach nicht wegkomme –»
    «Wir müssen noch mit den anderen Gästen hier sprechen, Mrs. Mayberry. Allem Anschein nach war Miss Bracegirdle in Begleitung, als sie, äh, ihren Unfall hatte.»
    Sie erbleichte. «Hier? Sie meinen doch nicht –»
    «Ich meine überhaupt nichts. Wir sammeln lediglich Informationen.»
    Daß sie vielleicht einen Mörder beherbergte und verköstigte, schien jedoch nicht das Problem zu sein: «Das ‹Diamond Hill Guest House› wird doch nicht etwa in die Zeitung kommen, oder? Hier ist noch nie etwas passiert.»
    Das erinnerte Jury an seine eigene Bemerkung, mit der er Farraday hatte trösten wollen, daß nämlich in Stratford nie etwas passierte.
    «Wir versuchen, sowenig wie möglich an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.»
    «Gut so. Ich hoffe doch, der gute Ruf des ‹Diamond Hill Guest House› wird

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