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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Abendessen zu sich nahmen. Auch die Terrasse war überfüllt, so daß einige Gäste mit der Treppe vorliebnehmen mußten. Und an der Bar der «Ente» konnte man kaum noch sein Glas heben.
    Melrose unterbrach seinen Vortrag über Schoenbergs Theorie, um den Wein zu probieren, den ihm die dunkelhaarige Bedienung gerade eingeschenkt hatte. Als er nickte, füllte sie ihre beiden Gläser und huschte wieder davon.
    «Das ist das Blödsinnigste, was ich je gehört habe. Den Senf, bitte», sagte Jury.
    «Ich bin noch nicht fertig. Anschließend meinte er, Shakespeare hätte Marlowe umlegen müssen, sonst hätte nämlich Marlowe ihn umgelegt.» Melrose schob Jury den Senf hin, und der betupfte seine Fleisch-und-Nieren-Pastete damit. «Und dabei ließ er dauernd Shakespeares Sonette auf diesem Ishi erscheinen.»
    «Was zum Teufel ist denn das?»
    «Sein Computer.»
    «Sie meinen, er hat immer einen Computer dabei?»
    Melrose nahm sein Roastbeef in Angriff. «Natürlich. Ohne ihn könnte er sich auf gar kein Gespräch einlassen. Er meint, es würde auch schon Computer geben, mit denen man reden kann – einfach so. Vielleicht sollte ich Agatha einen besorgen. Er könnte ihr Gesellschaft leisten, wenn sie zum Tee nach Ardry End kommt.»
    Jury lächelte. «Ich habe sie drei Jahre lang nicht gesehen.»
    «Und wenn Sie schlau sind, belassen Sie es dabei. Keine Angst, sie wird Sie schon aufstöbern. Wenn ihr die Randolph Biggets Zeit dazu lassen–»
    «Wer ist das?» Jury ließ sich sein Glas nachfüllen.
    «Unsere amerikanischen Verwandten. Sie sind in Horden eingefallen. Glücklicherweise ist es mir bis jetzt gelungen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich hab ein paar Zimmer im ‹Falstaff› genommen und Agatha und den Biggets das ‹Hathaway› überlassen. Amerikaner mögen so was – nachgemachter Tudor, Lehm und Flechtwerk.»
    Jury lächelte. «Und nicht nur das. Es ist auch ziemlich teuer. Ein paar Zimmer im ‹Falstaff›? Wie viele Zimmer haben Sie denn genommen?»
    «Alle.» Als er Jurys gerunzelte Brauen sah, fügte er hinzu: «Mußte ich ja. Sonst wären sozusagen aus allen Fenstern Biggets gequollen. Ich hab Agatha gesagt, ich hätte das letzte Zimmer bekommen. Stimmt ja auch, wenn man so will. Es gibt sowieso nur acht oder neun. Wollen Sie denn wegen des vermißten Jungen noch etwas unternehmen?»
    «Im Augenblick läßt sich da nicht viel tun. Ich bin mit seiner Schwester Penny zu Shakespeares Geburtshaus gegangen. Angeblich wollte er dahin, als er sich aus dem Staub gemacht hat – aber niemand erinnert sich, ihn gesehen zu haben. Wie dem auch sei – es ist Laskos Fall.»
    Eine Zeitlang widmeten sie sich schweigend dem Essen. Jurys Gedanken wanderten von vermißten Jungen zu anderen Dingen. «Sie sind Lady Kennington nie begegnet, oder?» Er bezweifelte, ob sein beiläufiger Ton Melrose Plant täuschen konnte.
    «Nein. Ich habe sie nur dieses eine Mal gesehen, wenn Sie sich erinnern. Eine sehr attraktive Frau.»
    «Ja, das ist sie wohl. Sie wohnt jetzt in Stratford.»
    «Oh? Wissen Sie, sie erinnerte mich irgendwie an Vivian Rivington.»
    Jury war das noch nicht aufgefallen, aber Plant hatte recht, die beiden Frauen sahen sich tatsächlich ähnlich. Plant musterte ihn etwas zu eindringlich; Jury wandte den Blick ab. Vivian Rivington machte ihm immer noch zu schaffen. «Haben Sie mal von ihr gehört? Lebt sie immer noch in Italien?»
    «Ab und zu bekomme ich eine Postkarte mit einer Gondel drauf. Sie erwähnte mal, daß sie nach England zurückkommen wollte.»
    Es entstand ein kurzes Schweigen. «Das Brot, bitte», sagte Jury.
    «Wie romantisch. Ich rede von Vivian, und Sie sagen: ‹Das Brot, bitte.›» Melrose schob ihm das Brotkörbchen zu.
    «Oh, mein Gott», sagte Jury, den Blick auf die Tür gerichtet.
    Melrose folgte der Richtung seines Blicks. Der Speisesaal leerte sich allmählich, da die Gäste nach und nach die Tische räumten und zum Theater hinübergingen. In der Tür stand ein ziemlich korpulenter, traurig dreinblickender Mann, der zu ihnen herüberschaute. Er sagte etwas zu der Empfangsdame und bahnte sich einen Weg durch die aufbrechenden Gäste.
    «Wenn man vom Teufel spricht –» Jury warf seine Serviette auf den Tisch.
     
    Detective Sergeant Sammy Lasko blickte, so meinte Jury zu sehen, mit unaufrichtigem Bedauern auf sie herunter. «Ärger, Richard.»
    «Setz dich und trink etwas Wein oder Kaffee. Du siehst so aus, als hättest du es nötig.»
    Lasko schüttelte den Kopf. «Keine Zeit. Sieht gut

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