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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Bemerkung gelang es Cholmondeley nicht, seine Erleichterung zu verbergen.
    «Kann sein. Aber warum sind Sie eigentlich überhaupt mit dieser Reisegesellschaft unterwegs?»
    Die Frage traf ihn völlig unerwartet, und das hatte Jury beabsichtigt. «Wie bitte? Um mal Ferien zu machen.»
    Jury zog eine Handvoll Papiere, die wie Listen aussahen, aus der Tasche, und es gelang ihm, den Eindruck zu erwecken, Cholmondeleys Name würde auf allen ganz oben stehen. «Sie handeln mit Edelsteinen?»
    «Ja. Es sieht so aus, als hätten Sie bereits gründlich recherchiert.»
    «Diese Fahrt ging auch nach Amsterdam.»
    Cholmondeley runzelte die Stirn. «Viele Reisen gehen nach Amsterdam. Die meisten , die die London-Paris-Rundreise auf ihrem Programm haben. Es gehört zu den Städten, die einfach und bequem zu erreichen sind. Man braucht nur nach Hoek van Holland überzusetzen –»
    «Haben Sie zufällig Ihren Paß bei sich, Mr. Cholmondeley?»
    Nun schien Cholmondeley völlig verwirrt. Entschlossen, über seine neue Eroberung kein Wort zu verlieren oder alles abzustreiten, sah er sich durch Jurys neue Fragetechnik aus dem Konzept gebracht. Er zog seinen Paß aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch.
    Jury besah sich die Stempel. Der Paß war voll davon. Mit einem knappen «Danke» gab er ihn seinem Eigentümer zurück.
    Cholmondeley saß am Tisch, spielte mit einem silbernen Messer und musterte Jury. «Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen. Was diese Gruppe betrifft, kann ich Ihnen nur sagen, wir kommen aus verschiedenen Teilen der Welt, haben uns noch nie im Leben gesehen, wissen nichts voneinander – und Sie versuchen die Sache so darzustellen, als ob einer von uns nur darauf lauern würde, die anderen abzumurksen.» Er entrang sich ein gezwungenes Lächeln. Anscheinend war das eine ganz neue und höchst unwillkommene Vorstellung: «Einer von uns ?»

14
    Melrose Plant saß mißvergnügt auf seinem Sitz im ersten Rang und wünschte sich eine echte Leiche zu sehen, statt darauf zu warten, daß Hamlet die Bühne mit falschen übersäte.
    Das Theater war genauso voll wie am Abend zuvor. Er hatte Glück gehabt und einen Platz in der ersten Reihe bekommen; diesmal würde er, verdammt noch mal, die zweite Hälfte nicht verpassen.
    Rief da nicht jemand seinen Namen? Als er über das Messinggeländer ins Parkett spähte, glaubte er, das Echo auch von hinten zu hören. Das Memorial Theatre galt als ein akustisches Wunder: Sein Name schien aus allen Richtungen zu kommen.
    «Hallo, Mel!»
    Ach ja. Ungefähr ein Dutzend Reihen hinter ihm saß Harvey Schoenberg und winkte heftig. Melrose begrüßte ihn mit einer vagen Handbewegung.
    «Melrose!»
    Allmächtiger, und da unten war Agatha; sie stand vor ihrem Sitz und winkte ebenfalls, aber mit beiden Armen, als würde sie den Start einer Boeing 747 dirigieren.
    Wäre ihm bekannt gewesen, daß sie zu dieser Vorstellung kommen würde, hätte er seine Karte zerrissen. Der Versuch, sie zu übersehen, bewirkte lediglich, daß sie sich noch mehr Mühe gab, ihn auf sich aufmerksam zu machen, während die Leute in seiner Nähe ihm bereits böse Blicke zuwarfen. Würde er mit seinem Auftritt Hamlet Konkurrenz machen?
    Er sah noch einmal übers Geländer, hob die Hand wie zum Gruß und fragte sich, ob die ungeschlachten, die Hälse reckenden Gestalten an ihrer Seite zur Randolph-Bigget-Sippe gehörten. Als er sah, daß sie die Hände trichterförmig an den Mund hielt, entschlossen, den Lärm und das Getöse von Gott weiß wieviel hundert Stimmen zu überschreien, ließ Melrose sich schnell wieder in seinen Sitz rutschen. Dankbar nahm er zur Kenntnis, daß die Lichter im Saal ausgingen.
     
    Es war gut, aber ist das Royal Shakespeare Theatre je schlecht gewesen? Hamlet war nach seinem ersten Auftritt nicht zu melancholisch, Gertrude hingegen war wundervoll lasziv und der alte Claudius etwas sympathischer als sonst. Nicht gerade einfach, für Claudius Sympathie zu empfinden. Als dann die Pause kam, waren alle erschöpft, sowohl auf wie vor der Bühne. Melrose dachte mit Grauen an den Ansturm auf die Bar.
     
    Da er jedoch in weiser Voraussicht seinen Brandy schon vor Beginn der Vorstellung bestellt hatte, mußte er sich nicht durch die Menge kämpfen, sondern konnte sich in eine Ecke zurückziehen. Eine Fliege hüpfte in der Menge umher, und Melroses Blick fiel ab und zu auf Harvey, der schließlich auch vor ihm auftauchte.
    «Können Sie sich das vorstellen? Während wir in dieser Kirche waren,

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