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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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langweilig wie bei Krawatten.
    «Honey Belle scheint Sie nicht kaltzulassen.» Jury lächelte.
    «Sie glauben doch wohl nicht, ich würde kleinen Mädchen nachstellen?»
    «Ich dachte eher, die kleinen Mädchen würden Ihnen nachstellen.»
    Zum erstenmal lächelte Cholmondeley ungezwungen. «Ein bißchen schon.»
    «Aber nicht Miss Bracegirdle? Sie hat Sie in Ruhe gelassen?»
    Cholmondeley sah ihn baß erstaunt an. «Großer Gott, ja. Wollen Sie damit sagen, außer mir hätte das keiner bemerkt?»
    «Was bemerkt?»
    «Gwendolyn ist – ich meine, war – anders gepolt. Wie auch diese Cyclamen Dew.»
    Jury brauchte einen Augenblick, um diese Neuigkeit zu verdauen. «Und das ist Ihrer Meinung nach auch der Grund, weshalb die beiden häufiger zusammen waren?»
    Cholmondeley genoß es offensichtlich, Sand ins Getriebe gestreut zu haben. «Wenn Miss Bracegirdle ein so folgenschweres Rendezvous hatte, muß sie nicht unbedingt einen Mann getroffen haben. Mehr wollte ich damit nicht sagen.»
    Er sah wieder aus dem Fenster, und die Gleichgültigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. «Ich versuche keineswegs, jemanden in die Sache hineinzuziehen.»
    Den Teufel tust du! «Woher wollen Sie das so genau wissen, Mr. Cholmondeley? Ich meine, daß die beiden lesbisch sind beziehungsweise waren.»
    «Mein guter Mann», sagte Cholmondeley in einem Wie-kann-man-nur-so-naiv-sein-Ton. «Man brauchte sie sich doch nur anzuschauen.»
    «Als ich Gwendolyn Bracegirdle das erste Mal sah, ist mir das nicht aufgefallen», sagte Jury kalt.
    Cholmondeley hatte den Anstand zu erröten. «Ja, das sehe ich ein. Aber abgesehen davon …»
    «Ja? Abgesehen wovon?»
    «Es klingt wahrscheinlich schrecklich eingebildet, ich weiß, aber …»
    Seine Stimme schien sich mit dem Rauch der Zigarette zu verflüchtigen, die er soeben im Aschenbecher ausdrückte. Anständigerweise errötete er zum zweitenmal.
    «Sie meinen, keine von beiden hat Interesse für Sie gezeigt?»
    Cholmondeley nickte. «Verstehen Sie, ich behaupte keineswegs, das Charisma eines Mick Jagger zu besitzen –»
    Jury lächelte. «Der ist auch nicht mehr der Jüngste, nicht?» Er konnte sich nicht entscheiden, ob Cholmondeley ihm sympathisch war oder nicht. Der Mann ließ sich nicht fassen, er war so glatt wie der feine italienische Seidenanzug, den er trug.
    «Stimmt. Ich wollte auch niemanden mit meinem Charme becircen. Die Frauen mögen mich einfach. Aber für diese beiden war ich einfach Luft.»
    Das kam heraus wie eine schlichte Feststellung: Die Frauen mochten ihn. Jury überraschte das nicht. Er fragte sich nur, was für Vorteile Cholmondeley daraus zog. «Für Amelia Farraday auch? Und wie sieht’s mit der Tochter aus?»
    Er schnaubte. «Du lieber Himmel, ich habe es doch nicht nötig, mich an Kindern zu vergreifen. Und was Mrs. Farraday betrifft, so kann ich mir nicht vorstellen, warum das wichtig sein sollte –»
    «Könnte es aber. Ich schätze Ihre Diskretion, aber vielleicht ist es doch von Bedeutung – ich meine Ihre Beziehung zu Mrs. Farraday.»
    «Warum? Was hat das denn mit der ganzen Geschichte zu tun?»
    Jury zuckte die Achseln. «Das müssen Sie schon uns überlassen.»
    «Wenn ich nur wüßte, was Sie im Schilde führen. Vielleicht sollte ich besser meinen Rechtsanwalt hinzuziehen.»
    Jury bedachte Cholmondeley mit einem entwaffnend unschuldigen Lächeln: «Keine Ahnung. Meinen Sie?»
    «Ich muß schon sagen, Superintendent, Sie können einen an den Rand der Verzweiflung treiben. Sie scheinen mich nicht einschüchtern zu wollen. Und doch –»
    «Ich wette, Sie können einiges aushalten, auch ein ziemlich eindringliches Verhör. Hören Sie, Mr. Cholmondeley –» Jury lehnte sich über den Tisch und schob dabei das mit einer Serviette bedeckte Brotkörbchen zur Seite – «ich möchte nur, daß Sie sich kooperativ zeigen. Was sich zwischen Ihnen und Mrs. Farraday abgespielt hat, ist mir völlig gleichgültig.» (Wenn Cholmondeley das glaubte, war er ein Narr.) «Aber es scheint mir wichtig zu wissen, wie die Kunden von Honeysuckle Tours zueinander stehen –»
    «Fürchterlicher Name, finden Sie nicht auch? Haben Sie eigentlich schon Mr. Honeycutt kennengelernt, unseren Reiseleiter und Sekretär?» Der Blick, den er Jury zuwarf, ließ Verunsicherung erkennen, obwohl er sie durch eine Maske der Geringschätzung zu verbergen suchte.
    «Ja. Er hat kein Wort über Sie verloren.»
    «Vermutlich bin ich nicht Honeycutts Typ.» Auch mit dieser beiläufig hingeworfenen

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