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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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verwickelt.»
    Lasko mußte tiefer gebohrt haben, als der Sache dienlich war. «Es ist noch etwas früh, um überhaupt dergleichen anzunehmen, Mr. Cholmondeley –»
    Cholmondeley warf ihm einen scharfen Blick zu. Anscheinend glaubte er ihm kein Wort. Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich scheinbar ganz unbefangen zurück.
    «– aber die Leute, mit denen Miss Bracegirdle über einen Monat lang ziemlich eng zusammen war, müssen doch etwas über ihre Person, ihren Charakter, ihre Gewohnheiten, ihre Freunde wissen …» sagte Jury.
    «Ich nicht. Ich habe kaum eine Minute mit der Frau verbracht.» Und er starrte durch das lichtdurchflutete Fenster, als wünschte er sich nichts sehnlicher, als einen kleinen Verdauungsspaziergang durch den Hotelgarten zu machen.
    «Mit wem haben Sie dann Ihre Zeit verbracht?» fragte Jury liebenswürdig. «Mit Mrs. Farraday vielleicht?»
    Die Reaktion war wie erwartet: kaum unterdrückte Wut. Bislang war der Mann zu glatt, zu unbeteiligt und zu selbstsicher gewesen. «Wie bitte? Wer hat das gesagt?»
    Anscheinend hatte Jury ins Schwarze getroffen. Cholmondeley wäre sonst bestimmt nicht auf die Idee gekommen, daß irgend jemand ‹das› gesagt hatte. Und wenn man Amelia Farraday einmal begegnet war, fiel es einem schwer, zu glauben, daß weder er für sie noch sie für ihn das geringste Interesse bekundet hatte. Eine kleine Ferienromanze, wenn Farraday gerade nicht hinsah? Jury lächelte. «Eigentlich niemand. Mrs. Farraday ist nur eine sehr attraktive Frau.»
    «Und auch eine sehr verheiratete.»
    «Hat das heutzutage noch etwas zu bedeuten?»
    Cholmondeley gab ihm keine Antwort, sondern starrte, den Kopf zur Seite gewandt, weiter aus dem Fenster.
    Jury ließ das Thema einer Liaison zwischen den beiden wieder fallen. «Kann es denn sein, daß einer Ihrer Reisegefährten Miss Bracegirdle nicht mochte?»
    «Meines Wissens nicht. Für mich war sie nicht der Typ, den man mag oder nicht mag. Ich fand sie etwas zu … überschäumend. Zuviel Geschwätz, zuviel Geblubber.»
    «Sie haben sich also doch mit ihr unterhalten?»
    «Ja, natürlich. Übers Wetter und ähnlich belangloses Zeug.» Ungeduldig schnippte er die Asche seiner Zigarette in den gläsernen Aschenbecher.
    «Gab es denn unter den Mitreisenden irgendwelche Unstimmigkeiten?»
    «Nur das übliche Gezänk, Eifersüchteleien und so weiter. Aber das ist gang und gäbe.»
    «Ich bin noch nie mit einer Reisegesellschaft gereist. Ich weiß also nicht, was gang und gäbe ist.»
    «Sie nehmen alles schrecklich wörtlich, Superintendent.»
    «Ich hab noch nie erlebt, daß ein Mord auf metaphorischem Wege gelöst wurde.»
    Cholmondeley stieß einen tiefen Seufzer aus. «Na schön. Es gab natürlich Probleme mit dem Jungen, aber die gibt es wohl immer mit Kindern. Der kleine Farraday – James Carlton heißt er, wenn ich mich recht erinnere – macht gern Extratouren.»
    «Hmm. Er scheint gerade wieder eine zu machen.»
    Cholmondeley schien nicht sonderlich überrascht. «Die Eltern haben sich schon daran gewöhnt. Gar nicht so einfach, ihn wieder einzufangen. Ein seltsames Kind.» Cholmondeley tat das Problem mit einem Schulterzucken ab; es betraf ihn nicht. «Und dann ist da natürlich diese gräßliche Lady Dew. Lady Violet Dew.»
    «Ich hatte noch nicht das Vergnügen.»
    «Es ist keines, glauben Sie mir. Sie lebt in Florida und kommt einmal im Jahr nach England zurück, um ihre Verwandten auf Trab zu bringen. Die müssen wirklich glücklich darüber sein, daß sie den Daumen auf der Geldbörse hat.»
    «Hat sie sich Ihnen anvertraut?»
    «Die hat sich allen anvertraut.»
    «Was ist mit Schoenberg?»
    Cholmondeley schenkte sich noch etwas Wein ein. «Komischer Kauz. Wirklich, man kann sich kaum mit ihm unterhalten, da er meistens Computerfachchinesisch spricht. RAMS und ROMS und so weiter. Aber mit dem kleinen Farraday hat er sich prächtig verstanden. Ein schlaues Bürschchen, wundert mich nicht, daß er seine Eltern so häufig an der Nase herumführt.»
    «Und Farraday?»
    «Was mit ihm ist? Nett scheint er zu sein. Etwas zu protzig für meinen Geschmack. Hat wohl viel Geld in zu kurzer Zeit gemacht und kann es nicht schnell genug wieder ausgeben. Die beiden Töchter hassen sich wie die Pest. Eigentlich tut mir das häßliche Entlein leid.»
    «Meinen Sie Penny?»
    Er zog eine Augenbraue hoch. «Nun, offensichtlich nicht Miss Milch-und-Honig.» Und er sah Jury an, als vermutete er, sein Geschmack sei bei Frauen genauso

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