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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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angeblichen Schwarzmarktgeschäfte Bescheid gewußt? Wirklich Pech, daß Amelia nicht hier sein kann, um diesem Blödsinn ein Ende zu bereiten.»
    Nach einer Weile brach Jury sein Schweigen. «Für Amelia ist es noch viel größeres Pech.»
     
    «Glauben Sie das wirklich, Sir?» fragte Wiggins, als sie wieder im Wagen saßen und zu «Brown’s Hotel» zurückfuhren.
    «Sie meinen die Schmuggelgeschichten? Das weiß ich nicht. Man wird es ihm wohl nicht nachweisen können. Ich habe seine Sachen durchsuchen lassen, ohne Erfolg. Ich hatte es auch nicht erwartet. Schon beim ersten Zwischenstopp in London hätte Cholmondeley die Schmuggelware loswerden können. Oder auch schon in Paris – ich weiß es nicht. Hat ihn jedenfalls ein wenig aufgerüttelt.»
    «Wäre das ein ausreichendes Motiv?»
    «Das bezweifle ich. Das fehlende Motiv ist das Schlimmste an der ganzen Angelegenheit. Ohne Motiv kommen wir nicht weiter. Wir können es genausogut mit dem Killer von Yorkshire zu tun haben. Wahlloses Morden. Nur: Wir wissen mit Sicherheit, daß es nicht wahllos ist.» Sie fuhren eine Weile schweigend den Piccadilly entlang. «Wenn wir im Hotel sind, sprechen Sie mit dieser Cyclamen Dew, ich nehme mir die Tante vor. Sie haben sie noch nicht kennengelernt, oder?» Als Wiggins den Kopf schüttelte, sagte Jury: «Ich wette, Ihre Stirnhöhlen werden im Nu frei sein. Was haben Sie da vorhin für eine Pille genommen? Die Sorte kannte ich noch nicht.»
    Wiggins schien sich zu freuen, daß Jury solche Dinge bemerkte. «Mein Blutdruck ist etwas zu hoch. Die Diastole ist um zehn Punkte höher, als sie sein sollte.»
    «Das tut mir leid. Eine Tablette täglich, oder? Mein Cousin hat auch einen zu hohen Blutdruck.»
    Während er in die Albemarle Street einbog, klärte Wiggins Jury nur allzu bereitwillig über das Krankheitsbild auf. Es war seit Jahren die erste wirklich neue Krankheit, die sich der Sergeant zugelegt hatte. Bislang hatte er sich immer damit begnügen müssen, die alten neu zu definieren. «Der Arzt sagt, es ist der Job, wissen Sie. Wir haben zuviel Streß, und irgendwo muß sich das ja bemerkbar machen. Sie sind, glaube ich, etwas härter im Nehmen.» Als Jury schnell den Kopf abwandte, um sich die Glasfassade der Rolls-Royce-Ausstellungsräume anzusehen, merkte Wiggins anscheinend, daß er seinen Vorgesetzten ungewollt gekränkt hatte, und fügte rasch hinzu: «Damit will ich keineswegs gesagt haben, Sie seien gefühllos. Ich meine lediglich, daß ich – nun, ich erlebe alles sehr viel intensiver als die meisten Menschen. Und das muß sich ja irgendwie bemerkbar machen, oder? Wir opfern uns für diesen Job auf, finden Sie nicht auch?»
    Wiggins würde sich prächtig mit Cyclamen Dew verstehen – bei dem großen Martyrium, das beide zu ertragen hatten.
    «… und es ist so fürchterlich lästig, Pillen gegen etwas zu nehmen, das keine Symptome zeigt. Ich meine, wenn man sonst ganz gesund ist.»
    Jury starrte ihn mit vor Staunen offenem Mund an. Aber Wiggins verzog keine Miene. Er sah aus wie ein leibhaftiger Märtyrer.

26
    Als Jury das holzgetäfelte Foyer von «Brown’s Hotel» betrat, schenkte sich Lady Violet Dew, den Hustler auf den Knien, gerade etwas aus einem kleinen Fläschchen in ihre Teetasse.
    Sie spähte über den Rand ihrer Zeitschrift und schob sich die Brille in die Stirn. «Ich brauche sie nur zum Lesen», sagte sie und schlug die Zeitschrift zu. Sie lächelte – so gut es ihr beim heutigen Fehlen von Aufputsch- und Beruhigungsmitteln gelang – und sah Jury anerkennend an.
    Genauso war er am Tag zuvor bei einem kurzen Zusammenstoß mit Lady Dew taxiert worden, als der Honeysuckle-Tours-Bus für die kurze Fahrt von Stratford nach London beladen wurde.
    «Fragen über Fragen. Ich habe schon alles gehört. Das ganze Hotel ist in Aufruhr; das Zimmermädchen macht sich fast in die Hose vor Angst. Sexualverbrechen sind ja auch die schlimmsten, nicht wahr? Vermutlich weil insgeheim jeder davon träumt. Setzen Sie sich.» Sie klopfte einladend auf den Sitz. «Trinken Sie eine Tasse mit? Sie sind mein Gast.»
    Jury spielte überzeugend die Rolle eines Mannes im Streß, der dringend eine kleine Pause braucht. Er lockerte sogar seine Krawatte. «Keine schlechte Idee.»
    «Viel Gelegenheit zum Entspannen und Plaudern werden Sie ja nicht haben. Sie müssen bestimmt immer schnell nach Haus zu Ihrer kleinen Frau und den Kinderchen.»
    Im Halbdunkel der Bar blitzte sein Lächeln auf. «Keine Frau, keine

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