Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
durch die Teigkruste stechen, sozusagen in die Sterne gucken. Eine Spezialität aus Cornwall.«
»Hören Sie: Vor ein paar Tagen hatte ich wieder ein Treffen mit Ihrem Freund, Sir Oswald Maples. Sie erinnern sich, Sie haben mir von ihm erzählt.«
»Maples, ja, brillanter Mann, brillant. Hochdekoriert, was?«
»Offenbar ja. Kannten Sie seine Familie?«
»Nein, eigentlich nicht. Was haben Sie – Moment, warten Sie mal kurz.« Oberst Neame nahm seine vor dem Kamin abgelegte Zeitung noch einmal zur Hand. »Ich las hier gerade … hier steht es. Da wurde ein gewisser Billy Maples in einem Hotel in Clerkenwell erschossen. Sie wollen mir doch nicht sagen …«
»Doch. Billy Maples war sein Enkel.«
»Gütiger Gott!« Der Oberst hob den Blick von der Zeitungsmeldung zu Jurys Gesicht hoch, als versuchte er diese beiden Informationen miteinander in Einklang zu bringen. »Gütiger Gott«, wiederholte er. Dann machte das Mitgefühl aber der Neugier Platz, und er fragte: »Ist das etwa ein Fall, an dem Sie gerade arbeiten, Superintendent?«
»Ja. Kannten Sie jemanden aus Sir Oswalds Verwandtschaft?«
Oberst Neame schüttelte den Kopf. »Nein. Das Privatleben ließ man draußen vor der Tür. Privatleben und Station X gingen nun mal nicht zusammen.«
»Station X?«
»Bletchley Park. Nannten wir damals so.«
»Sagen Sie, dieses Umfeld muss ja sehr stressig, sehr konkurrenzorientiert, hochexplosiv gewesen sein. Konnte er – konnte sich Sir Oswald dort womöglich Feinde gemacht haben?«
»Feinde? Nehme ich schon an.« Tief in seinen Sessel gekauert, runzelte Oberst Neame die Stirn.
»Was wussten Sie damals über Oswald Maples?«
Joss Neame zögerte. »Nun, er galt als ziemlich brillant.«
»Sie sagten, das Privatleben ließ man draußen vor der Tür. Galt das denn für Sie alle?«
Neame lachte kurz und abrupt. »Wir hatten einfach keines, wenn Sie sich das fragen. In dem Bereich war Schmalhans angesagt.«
»Die meisten von Ihnen hatten doch bestimmt Familie. Bekamen Sie Urlaub, um Ihre Frauen und Kinder zu besuchen?«
»Ich selbst war damals noch nicht verheiratet. War auch gut so, es herrschte dort nämlich kein Mangel an gut aussehenden Frauen. Was den Besuch von Ehefrauen und so weiter betraf, na, vielleicht alle Jubeljahre mal.« Er legte den Kopf schief und warf Jury einen etwas ungläubigen Blick zu. »Haben Sie den Verdacht, Maples war ein Schürzenjäger oder so was in der Art?«
Jury musste über den antiquierten Ausdruck lachen. »Nichts läge mir ferner. Nein, ich frage mich nur, wie viel Freiraum man für persönliche Angelegenheiten hatte.«
»Sehr wenig. Und Maples hatte noch viel weniger. Er war einfach zu wertvoll. Damit will ich nicht sagen, dass er unter Bewachung stand, bloß dass er eben unentbehrlich war.«
Jury überlegte einen Augenblick. »Erinnern Sie sich noch an die Evakuierung deutscher Kinder im Rahmen dieses so genannten Kindertransports? Diese Kinder wurden weggeschafft, die meisten nach Großbritannien, um sie in Sicherheit zu bringen.«
»Hmm. Wann war das?«
»1939. Es gab mehrere Transporte.«
Oberst Neame schüttelte den Kopf. »Kommt mir bekannt vor, aber … Mein Gedächtnis ist auch nicht mehr das, was es mal war. Aber was hat das mit Bletchley zu tun?«
»So direkt nichts. Die Kinder wurden hier in England aufgenommen. Erforderlich war nur eine Fünfzigpfundnote als Unkostenbeitrag. Ich habe mich schon gefragt, wie Bletchley Park es wohl fand, wenn Leute aus ihren Reihen diese Kinder aufnahmen?«
»Ein deutsches Kind? Hmm. Dass das begrüßt wurde, bezweifle ich, aber es ist ja alles möglich. Doch warum um alles in der Welt würde Maples sich so ein Kind aufhalsen wollen?«
»Ich glaube, seine Frau wollte es. Und das Land war gegenüber diesen Kindern doch allgemein äußerst positiv eingestellt.«
»Stimmt. Versteht sich. Aber das Land war ja auch nicht damit beschäftigt, den Enigma-Code zu knacken.«
»Da sind Sie ja«, sagte Melrose Plant und trat hinter Jurys Sessel hervor. »Wie ich sehe, informieren Sie sich gerade, was auf der Speisekarte steht.« Er setzte sich und sagte zu Oberst Neame: »Er schummelt schon die ganze Zeit, kriegt von Ihnen heraus, was es zu essen gibt, und wettet dann aufgrund der Information, die Sie ihm geben. Er gewinnt immer, kein Wunder!«
Oberst Neame lachte. »Ich wette ja gelegentlich auch ganz gern. Roulette, das ist genau mein Fall. Sie wissen ja, wir haben dort hinten einen recht großen Raum –« er neigte den Kopf in die
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