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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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Zetter. Die einfachste Lösung«, sagte er breit grinsend, »ist meist auch die richtige.«
    Jury schnaubte ungehalten. »Das ist jetzt die Retourkutsche, was? Vielleicht ist es ja so, wie Sie sagen.« Jury erhob sich. »Ich muss gehen, Ron. Ich muss es seinem Großvater sagen, bevor der es aus dem Telegraph erfährt. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie hier etwas finden.«

6
    Jury stand vor dem gepflegten Remisenhaus beim Cadogan Square, den Finger auf dem Klingelknopf, hoffte, dass er sich irrte, und war sich doch ziemlich sicher, dass er es nicht tat. Dies lag nicht an seiner Fähigkeit zur logischen Schlussfolgerung, sondern an einem ganz einfachen Gedanken: Wie viele Männer namens Maples konnte es geben, die »an Geheimcodes gearbeitet« hatten und dies auch noch in Bletchley Park?
    Nur einen.
    Insgeheim wünschte Jury sich, nur die Haushälterin anzutreffen, nur um die Mitteilung dieser traurigen Nachricht an Oswald Maples irgendwie aufschieben zu können. Im Moment wollte er am liebsten nichts mehr mit dem Fall zu tun haben. Wenn er und Aguilar auch nur ein Quäntchen Vernunft besäßen, würde er sich aus allem brav heraushalten. Emotionale Verwicklungen mit der ermittelnden Beamtin – war das der Ausdruck, mit dem er es heute Morgen bezeichnen würde? Aber wie konnte etwas so Leidenschaftliches bloß mit dem Begriff »emotionale Verwicklungen« abgetan werden?
    Dann musste er an Phyllis denken, und es schnürte ihm die Kehle zu.
    »Superintendent!«
    Lächelnd hatte ihm Sir Oswald Maples diesmal selbst aufgemacht, war mit Hilfe eines einzigen Krückstocks an die Tür gekommen. Meistens brauchte er zwei. Falls dies der Grund für sein Lächeln war, war es also vermutlich ein guter Tag.
    Der sich alsbald in einen schlechten verwandeln sollte.
    »Stimmt etwas nicht, Mr. Jury?«
    Und ob , wollte Jury sagen, ich bin gerade dabei, mir mein Leben zu versauen, und gestern Abend wurde Ihr Enkel ermordet. »Sir Oswald«, sagte er und versuchte sich zusammenzureißen. Er wusste, dass er grimmig aussah, die Grimmigkeit war aber ganz auf ihn selbst bezogen, wie er sich zu seiner Schande gestehen musste. »Ich muss mit Ihnen reden.« Eine merkwürdige Art, es auszudrücken.
    »Selbstverständlich. Nur herein, nur herein.« Mit einiger Mühe trat Oswald Maples etwas beiseite, damit Jury den winzigen Eingangsbereich betreten konnte. »So schlimm kann’s nicht sein, Superintendent.« Oswald stieß ein kurzes Lachen aus.
    Jury wollte schon den Mund aufmachen, um etwas zu entgegnen, sah dann jedoch davon ab. Sie traten ins Wohnzimmer. Jury setzte sich, Oswald nahm ihm gegenüber auf einem blauen Sofa Platz. Zu ihren Füßen befand sich ein schöner Orientteppich, auf dem sich sanfte Blau-, Rot- und Grüntöne mischten.
    Jury sagte: »In Clerkenwell wurde gestern Abend ein junger Mann ermordet. Ich glaube – wir glauben, dass er möglicherweise mit Ihnen verwandt war, vielleicht Ihr Enkel.« Dabei beließ er es vorerst.
    Maples hatte seinen Krückstock genommen und hielt ihn, beide Hände oben auf den Knauf gelegt, vor sich hin. Er richtete sich auf, beugte den Kopf über die Hände und schwieg.
    »Sein Name war Billy Maples.«
    In tiefer Stille, die bisweilen mit schlechten Nachrichten einhergeht, wartete Sir Oswald ab, als könnte eine weitere Nachricht das soeben Gehörte wieder ungeschehen machen. Es kam jedoch keine. »Schenken Sie uns was ein, Mann.« Er lehnte sich, den Kopf gebeugt, schwer auf seinen Stock und betrachtete eingehend den Teppich.
    Jury gab etwas Brandy in ein Ballonglas und reichte es ihm. »Es tut mir leid – es tut mir aufrichtig leid.« Er kam sich hoffnungslos unzulänglich vor. Dann setzte er sich Oswald gegenüber in einen Sessel, der im gleichen Blau wie das Sofa bezogen war.
    Eine Weile sagte Maples gar nichts, saß nur da und schaute auf den Brandy in seinem Glas. Schließlich trank er ihn auf einmal aus. Dann stellte er das Glas behutsam auf dem antiken Couchtisch ab, als hätte es, und nicht er, die Behutsamkeit nötig. Er räusperte sich. »Na dann, sagen Sie es mir.«
    Jury tat es. In allen Details.
    Oswald lehnte sich zurück. »Ich will Ihnen ein paar Fragen ersparen, Superintendent. Zunächst, ich kann mir absolut niemanden denken, der Billy so etwas antun würde, allerdings kannte ich seine Freunde nicht – oder seine Feinde, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass Billy Feinde hatte. Aber ich kenne … kannte Billy. Er hatte ein idealistisches, weltfremdes Naturell, war stark

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