Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
wohl, deine Hälfte?«
»Ich bin im Speisesaal, habe gerade Frühstück bestellt. Ich habe gesagt, sie sollen das andere Gedeck liegen lassen.«
»Das für mich gedacht ist?«
Sie betrachtete es als rhetorische Frage. »Ich habe Müsli bestellt.«
Jury stellte seinen halb ausgetrunkenen Tee ab. »Nicht mein Fall. Ich bin für das komplette englische Frühstück.«
»Wir müssen die Köpfe zusammenstecken.«
»Nennt man das heutzutage so?«
»Sei nicht so dämlich. Los jetzt.«
Klick!
Jury trank seinen Tee aus und schlüpfte in den Mantel. Dann nahm er drei Stufen auf einmal die Treppe hinunter.
Der Speisesaal im Zetter war recht gut besetzt, doch standen die Tische weit genug auseinander, dass man mit seinem Löffel nicht im Müsli des Nebentischs landete. Er lächelte.
Ebendies war es, was Lu soeben verspeiste, eine hoch aufgehäufte Schale Müsli, von Rhabarber gekrönt. Sie trug einen signalroten Pullover, ihr Gesicht wirkte aber immer noch verschlafen. Er setzte sich vor das andere Tischgedeck und sah zu, wie sie sich einen Löffel voll Müsli in diesen Mund schob, den er inzwischen so gut kannte. »Rhabarber?«
»Stell dir vor! Falls du kein Müsli magst, wirst du mit dem hier deine Meinung gründlich ändern, glaub mir.« Sie schaufelte einen Berg Körner, Nüsse und Rhabarber auf und hielt es ihm an den Mund.
Die Geste war so vertraulich, dass er am liebsten sofort ein Zimmer gebucht hätte. »Du hast recht«, meinte er kauend. »Schmeckt gut.«
»Hier kommt dein Frühstück.«
»Woher wusstest du …«
Also, bitte , schien ihr Blick zu sagen.
Die Kellnerin mit dem frisch-fröhlichen Gesicht stellte Jury den Teller hin: Eier, Frühstücksspeck, Pilze, Tomate.
Hungriger, als er gedacht hätte, machte er sich gleich darüber her. Die Eier waren so perfekt gebraten, dass sie regelrecht glänzten.
»Erzähl mir von Rye. Du hast Kurt Brunner gesprochen?«
Jury berichtete ihr von dem Gespräch.
»Kannst du dir vorstellen, dass er’s war, der geschossen hat?«
»Ich bin mir noch nicht sicher. Falls er Billys Besucher war, fände ich das schon recht seltsam.«
»Warum?«
»Brunner würde doch keinen Termin vereinbaren, um sich mit ihm zu treffen. Er sah ihn doch jeden Tag.«
Sie nickte, lehnte sich zurück. »Bist du fertig?« Sie beäugte seinen Teller.
»Fast. Noch Kaffee?« Er nahm die Kaffeepresse zur Hand. Sie schüttelte den Kopf. Er schenkte sich selbst nach.
»Jetzt esse ich seit zwanzig Minuten an diesem Müsli, und die Schale ist immer noch voll. Ich will in das Zimmer hoch.«
»Zum Tatort. Soll ich mit hochkommen? Wir beide? « Er versuchte, dieses »wir beide« bedeutungsschwer knistern zu lassen. Kein sehr kluger Schachzug.
Aguilar verdrehte genervt die Augen. »Wir ermitteln hier in einem Mordfall …«
Jury kicherte und verputzte den letzten Rest von seinem Ei.
»Und wir verfügen doch über etwas Selbstbeherrschung, will ich hoffen.«
»Ich vielleicht schon, aber du nicht.«
Sie knüllte ihre Serviette zusammen und schmiss nach ihm.
Oben hielt Jury wohlweislich Abstand.
Sie ging die mutmaßliche Abfolge der Ereignisse noch einmal durch. »Er kommt rein, schmeißt seine Schlüsselkarte hin, geht ans Telefon, um den Zimmerservice anzurufen. Irgendwann dazwischen geht er vielleicht auf die Toilette. Er bestellt sich sein Abendessen.« Aguilar setzte sich auf den Stuhl neben dem Wandbord, auf dem das Tablett gestanden hatte, nahm den Telefonhörer, legte ihn wieder hin. Dann stand sie auf und sah Jury an, ohne ihn offenbar bewusst wahrzunehmen, dachte er. Sie wirkte nachdenklich. »Wieso hat er sein Jackett nicht ausgezogen? Das hättest du doch gemacht, oder?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Womöglich gab es anderes, momentan Wichtigeres zu tun.«
»Zum Beispiel?«
»Telefonieren. Er ruft den Zimmerservice an, tätigt dann noch einen Anruf. Oder gleich mehrere.«
»Das erklärt aber nicht die Zeit, nachdem das Essen gekommen ist. Besonders bevor er so etwas Umständliches wie einen Hamburger verspeist. Senf, Ketchupspritzer, außerdem isst man so was mit den Händen. Und das italienische Designerjackett? War das nicht von Armani? Das würde man doch sicher ablegen.«
»Hat er vielleicht auch und es dann wieder angezogen.«
Sie dachte kurz darüber nach. Dann fuhr sie fort: »Er tätigt noch einen Anruf und geht dann auf die Terrasse hinaus.« Sie trat auf die Dachterrasse.
Er folgte ihr, blieb neben dem Tisch in der Ecke stehen.
Sie lehnte sich ans
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