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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sie mit in die Ställe. Sie auf das Pferd zu setzen war nicht einmal nötig. Es genügte, ihr einzureden, daß sie draufsaß. Und im Lauf der Jahre haben Sie ihr dann auch den ganzen Quatsch mit den Auseinandersetzungen, die sie mit ihrem Vater gehabt haben soll, eingeredet. Damit sie sich schuldig fühlte und Sie sie um so fester in der Hand hatten.» Jury, der sich selten einen Kommentar erlaubte, konnte sich nicht mehr zurückhalten. «Wie gemein, Miss Rivington, wie abgrundtief gemein und niederträchtig. Warum haben Sie ihn um die Ecke gebracht? Sein Testament muß ja eine herbe Enttäuschung für Sie gewesen sein.»
    Ihr Mund war so rot in ihrem weißen Gesicht, daß sie wie ein hübscher, grellgeschminkter Clown aussah. «Was werden Sie tun?»
    «Mit Ihnen einen Deal machen. Sie werden Vivian die Wahrheit sagen –» als sie protestieren wollte, hob er die Hand -«sagen Sie ihr gerade so viel, daß sie nicht mehr diese unerträgliche Schuld mit sich herumschleppen muß; erzählen Sie ihr, Sie hätten den Unfall verursacht. Als Erklärung dafür, daß Sie ihr die Schuld zugeschoben haben, sagen Sie, man hätte Sie wegen Totschlags anklagen können, wenn Sie zugegeben hätten, auf dem Pferd gesessen zu haben. Sie können ja eine große Show abziehen, und ihre Angst und das Durcheinander etwas übertreiben. Und lassen Sie auch Tränen fließen. Sie schaffen das schon. Sie haben ihr zwanzig Jahre lang was vorgemacht; es dürfte Ihnen also nicht schwerfallen, noch einmal Theater vorzuspielen.»
    In Isabels Gesicht war wieder etwas Farbe und auch gleich sehr viel von ihrer alten Überheblichkeit zurückgekehrt. «Und wenn ich mich weigere? Können Sie denn irgendwas beweisen?»
    Jury beugte sich zu ihr vor. «Vielleicht schon. Ihnen ist doch wohl klar, daß man bei Ihnen nicht lange nach einem Motiv suchen müßte?»
    «Das ist absurd –»
    Jury schüttelte den Kopf. «Und wenn Sie es ihr nicht sagen, dann sag ich’s ihr, darauf können Sie sich verlassen. Und ich mache vielleicht keinen Unfall daraus.»
    Sie schoß aus ihrem Sessel und rannte zur Tür.
    «… Und, Miss Rivington, ich brauche hier nur ein paar Andeutungen fallenzulassen, und Sie sind erledigt.»
    An der Tür drehte sie sich noch einmal nach ihm um. «Und Ihre Berufsethik? Ein anständiger Polizist würde so etwas nie tun.»
    «Ich habe auch nie behauptet, ich wäre einer, oder?»

    Nervös die Hände ringend, saß ihm Vivian in einem einfachen rosa Wollkleid gegenüber. «Ich kann das einfach nicht glauben. Wer konnte dem Pfarrer nur so etwas antun? Diesem harmlosen, alten Mann!»
    «Opfer sind gewöhnlich harmlos. Nur eben nicht für den Mörder. Kommt Ihnen dieses Armband bekannt vor, Miss Rivington?» Er schob es zu ihr hinüber.
    «Ist das das Armband, das er gefunden hat?»
    «Sie wissen davon? Wann hat er es Ihnen erzählt?»
    «Heute. Irgendwann heute nachmittag. Ich schaute kurz im Pfarrhaus vorbei, um mit ihm zu plaudern.»
    Jury verließ der Mut. «Wann war das?»
    «Oh, so um fünf. Vielleicht auch etwas später. Ich bin doch nicht –» Ihre Hände bedeckten ihr Gesicht. «Nein, doch nicht schon wieder. Sie wollen mir hoffentlich nicht erzählen, daß ich wieder dabeigewesen bin, als der Mord passierte.»
    «Ich will Ihnen gar nichts erzählen», Jury lächelte, aber es war ihm nicht danach zumute. Warum zum Teufel war sie nicht zu Hause geblieben und hatte Gedichte geschrieben? Er schaute auf Plucks Notizen. «Danach waren Sie dann zu Hause? Ich meine, nach Ihrem Besuch im Pfarrhaus und vor dem Essen in der Pandorabüchse?»
    «Ja.» Ihr Kopf hing über ihrem Schoß, und ihre Hände zerknitterten ihren Rock.
    «Möchten Sie einen Brandy, Miss Rivington?» fragte Jury besorgt. Er beugte etwas den Kopf, um ihr Gesicht sehen zu können. Nach dem Zucken ihrer Schultern zu urteilen, weinte sie – ja, er war sich ziemlich sicher. Automatisch streckte er die Hand aus, zog sie aber sofort wieder zurück. Er stellte sich ihr Gesicht vor – verquollen wie das eines heulenden Kindes –, und es tat ihm in der Seele weh. Er zog ein zusammengefaltetes Taschentuch aus der Tasche und legte es ihr in den Schoß. Dann stand er auf, ging zu einem der Fenster und setzte sein Verhör fort.
    «Waren Sie zu Hause mit Ihrer Schwester zusammen?»
    Den Blick immer noch gesenkt, schüttelte sie den Kopf. «Nein, Isabel war nicht da.»
    «Und die Haushälterin?»
    Vivian schneuzte sich. «Auch weggegangen.»
    Jury seufzte. Verdammtes Pech. «Vielen Dank, Miss

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