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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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«Wohlauf, ihr christlichen Soldaten» zu singen. Er kam sich sofort lächerlich dabei vor und klappte das Buch zu; abwesend starrte er auf den Einband. Auf dem Deckel stand in verblichenen Goldlettern: Gesangbuch. Es war ziemlich klein, ungefähr 15 auf 17 Zentimeter, und in rotes Leder gebunden. Er erinnerte sich an die Stimme von Mrs. Gaunt – oder war es die von Daphne gewesen? – «Ich kam rein und sah sie in ein Buch schreiben. In ihr Tagebuch. Ein kleines, rotes Buch.»

    In einer knappen Viertelstunde – Jury hatte hinter jedem Sitz nachgeschaut, jedes Gesangbuch hervorgezogen und wieder zurückgestellt – hielt er es dann schließlich in der Hand: Es war kaum dicker als die Gesangbücher, und der Einband war ebenfalls rot, nur etwas greller. Nicht schwer zu finden, man mußte nur danach suchen, da die Gesangbücher von dem schmalen Holzbrett auf der Rückseite der Sitze teilweise verdeckt wurden. Wäre am vergangenen Sonntag ein Gemeindemitglied auf diesem Sitz gesessen, so hätte er es gefunden. Es gab jedoch weit mehr Gesangbücher als Dorfbewohner, die daraus sangen. Hatte Ruby ihr Tagebuch, ähnlich wie das Armband, als eine Art Pfand zurückgelassen? Oder hatte sie es einfach bei den Gesangbüchern abgestellt und dann vergessen?
    Statt Gesangbuch stand in goldener Kursivschrift Tagebuch auf dem Deckel. Dramatisch große Blockbuchstaben zierten die erste Seite: RUBY JUDD.
    Inzwischen war es völlig dunkel geworden; schon bei seiner Suche hatte er die Taschenlampe anzünden müssen. Er ging mit dem Buch zur Kanzel, stieg die kleine Treppe hoch und zog die schmale Messinglampe so weit herunter, daß das Licht direkt auf die Seiten des Buchs fiel.
    Das meiste davon – der Teil, in dem die ersten Monate des Jahres abgehandelt wurden – war irgendwelcher Blödsinn über irgendwelche Männer in Weatherington oder Long Piddleton – Geschäftsleute, ein Verkäufer; nichts über Trueblood oder Darrington – die Art von Blabla, die er erwartet hatte. Das Stichwort Simon Matchett fiel erst später; zwischendurch entdeckte er noch Bemerkungen über Trueblood (ein erstaunlich guter Liebhaber für einen Mann mit seinen Neigungen) und Darrington (ein erstaunlich schlechter). Sie kam aber immer wieder auf Matchett zurück, der «einfach umwerfend gut aussah», wie sie des öfteren betonte. Augen wie der Rydal River. Dieser überraschend hübsche Vergleich aus Ruby Judds prosaischer Feder versöhnte Jury etwas. Wenn ich daran denke, daß Daphne immer in seiner Nähe sein kann, während ich mich mit dem Drachen – Mrs. Gaunt höchstwahrscheinlich – und dem Pfarrer rumschlagen muß! Sie wären ganz schön sauer, wenn sie wüßten, daß ich hier herumsitze und mein Tagebuch schreibe, während ich eigentlich abstauben sollte. Wenn schon, ich krieg auch nicht annähernd soviel wie Daphne, die außerdem noch für ihn arbeiten darf. Auf den folgenden Seiten beschrieb sie ihre sexuellen Abenteuer mit Darrington, mit der Aushilfskraft des Zeitungshändlers und andern; hin und wieder ließ sie sich darüber aus, wie langweilig das Leben in Long Piddleton sei. Jury überblätterte ein paar Seiten und fand, was er gesucht hatte: die Kissenschlacht mit Daphne. Dann bin ich unters Bett gerollt, und als sie mit ihrem Arm über den Bettrand angelte und mich packen wollte, ging der Verschluß ihres Armbands auf, ein geschmackloses Ding mit einem goldenen Kreuz dran. Plötzlich fiel mir alles wieder ein: Ich lag unter dem Bett, und ein Arm baumelte herunter. Und von dem Arm rutschte das Armband. Ist schon Jahre her, das alles. War es möglich, daß Ruby, neugierig wie sie war, tatsächlich unter das Bett auf der Bühne gekrochen war und während der ganzen Vorstellung dort gelegen hatte? Sie konnte dabeigewesen sein, als Matchett Celia erstickte und überhaupt nichts bemerkt haben. Gott!!! Ich erinnerte mich auch plötzlich, was das für ein Armband war, das ich damals gefunden hatte. Es gehörte ihr, Mrs. Matchett, die an diesem Abend ermordet worden war. Was hat das zu bedeuten??? Das war fünfmal unterstrichen. Ein paar Tage lang gab es keine Eintragungen. Ruby hatte anscheinend in der Bibliothek von Weatherington alte Zeitungen durchgesehen: nach dem Mord im Gasthof der Matchetts. Und es war ihr klargeworden, daß Celia Matchett auf diesem Bett und nicht in ihrem Büro erwürgt worden war. Sie sah plötzlich wieder den schlaffen Arm vor sich, so wie sie ihn als Siebenjährige gesehen hatte.
    Sie lungerte jetzt nur noch in

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