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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Punkt ist –»
    «Ich verstehe. Ihr Neffe wird sich vielleicht nicht gerade sehr freundlich über Sie äußern.»
    «Richtig. Sie wissen also, was Sie davon zu halten haben.»
    «Ich werde daran denken.»
    Agatha tippte ihn mit ihrem Stock an. «Sie sind ein Mann mit Verstand, Inspektor. Ich hab das gleich bemerkt.» Und sie segelte aus der Tür, die Jury für sie aufhielt.

    Ohne Wiggins und Pluck bei ihrem Tee zu stören, verließ Jury das Gebäude, über dessen Tür ein leuchtend blaues Schild mit der Aufschrift POLIZEI angebracht war. Er ließ seine Blicke die Dorfstraße entlangwandern, fasziniert von der Ansammlung buntgestrichener Läden, deren Farben in der winterlichen Dämmerung schon etwas gedämpfter wirkten.
    Da die Hammerschmiede an diesem Tag früher geschlossen hatte, waren Türen und Fenster fest verriegelt. Jury hielt die Hände vor die Augen und spähte hinein. Er sah aber nur die schattenhaften Umrisse von Tischen und Stühlen. Wahrscheinlich waren alle für den Rest des Tages weggegangen. Er trat ein paar Schritte zurück und starrte auf den Balken über seinem Kopf, auf dem die Leiche gefunden worden war.
    Während Jury hochblickte, postierte sich ein jüngerer Mann vor der Tür des Antiquitätenladens neben dem Gasthof. Jury nahm an, daß er der Besitzer war und ging zu ihm hinüber.
    Der Laden befand sich in einem hübschen kleinen Gebäude mit einem neoklassizistischen Erker. Im Gegensatz zu den anderen Geschäften und Häusern war es nicht den Anstreichern in die Hände gefallen.
    Jury zeigte seinen Ausweis. «Inspektor Jury, Kriminalpolizei. Sind Sie Mr. Trueblood?»
    «Sie haben’s erraten. Ich dachte mir schon, daß Sie vom Scotland Yard sind. Ist es nicht entsetzlich?»
    «Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Mr. Trueblood?»
    «Kommen Sie rein. Ich habe gerade Tee aufgesetzt. Nehmen Sie Platz.» Trueblood zeigte auf ein kleines Sofa, das für jemanden wie Jury viel zu zerbrechlich wirkte. Seine Beine waren geschwungen und mit kunstvoll geschnitztem Blattwerk verziert.
    «Georgianisch», sagte Trueblood, als wäre Jury ein Kunde. «Ein besonders schönes Stück – keine Angst, es ist stabiler, als es aussieht.»
    Trueblood selbst setzte sich in einen Sessel und faltete die Hände über den Knien. Er trug ein meergrünes Hemd, und die Gläser seiner Brille waren, wie Lady Ardry schon bemerkt hatte, leicht getönt. Während Jury seine Zigaretten herauszog, blickte er sich kurz um. Truebloods sexuelle Präferenzen waren vielleicht fragwürdig, nicht aber sein Geschmack in Möbeln. Das, was in seinem Laden herumstand, mußte über 100000 Pfund wert sein.
    «Mr. Trueblood, Sie waren in der Pandorabüchse an dem Abend, als der erste Mord geschah?»
    «Ja, allerdings, Inspektor.» Trueblood schnappte nach Luft. «Und stellen Sie sich vor, ich hab dem Mann sogar noch einen Drink spendiert –» Er preßte die Stirn gegen die sorgfältig manikürte Hand, als hätte er ihm einen Schierlingsbecher kredenzt.
    «Ja, ich weiß. Über was haben Sie gesprochen?» Ein lautes Atemholen war zu hören, als Trueblood, der offensichtlich noch mehr Sauerstoff benötigte, sich zu konzentrieren versuchte. Hinter den getönten Gläsern ließ er seine weit aufgerissenen Augen in dem Raum umherschweifen. «Wissen Sie, eigentlich sprachen wir nur übers Wetter – es hatte seit zwei Tagen ununterbrochen geschneit, und an diesem Abend regnete es dann plötzlich in Strömen –, na ja, was man eben so redet.»
    «Dieser Small war nicht irgendwie nervös oder verstört?»
    «Nein, eher triumphierend.»
    «Triumphierend?»
    «Ja, als hätte er gerade eine gute Nachricht bekommen oder beim Wetten gewonnen. ‹Mensch, glaub mir, so ’n Glück hat man nicht alle Tage!› Der Mann jubilierte. Aber er wollte mir nicht verraten, warum.»
    «Das war vor dem Essen?»
    «Ja. So gegen acht, halb neun. Er hatte schon gegessen. Ja, ich erinnere mich wieder, Lorraine – Lorraine Bicester-Strachan – zerrte mich Förmlich von meinem Hocker an den Tisch.»
    «Und danach haben Sie ihn nicht mehr gesehen? Zwei volle Stunden scheint er dann von der Bildfläche verschwunden zu sein.»
    «Ich glaube, der Ärmste war etwas wetterfühlig. Er sagte, er wolle auf sein Zimmer gehen. Hatte für zwei oder drei Stunden nur an der Bar gesessen und getrunken.» Von nebenan war das Pfeifen des Teekessels zu hören. «Sie dürfen wirklich nicht ablehnen. Der Darjeeling ist ein Genuß, und außerdem habe ich noch köstliche Petits fours,

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