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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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die mir ein Freund zu Weihnachten geschenkt hat.» Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er auf und tänzelte in die Küche. «Eine Sekunde.» Er verschwand in den inneren Regionen.
    Jury schaute sich Truebloods Bestände an. Hepplewhite – und Sheraton-Stühle, Sekretäre, Kommoden, Teebüchsen aus Atlasholz, Waterford-Glas in einer Vitrine. Eine vergoldete Bronzeuhr mit bemalten Porzellanteilen tickte leise an seinem Ellbogen. Wahrscheinlich kostete sie soviel, wie Jury in einem halben Jahr verdiente.
    Trueblood war mit einem silbernen Tablett und dem allerfeinsten Porzellan zurückgekommen. Jury wußte nicht, wie er mit den hauchdünnen Tassen und Tellern umgehen sollte. Seine Tasse hatte die Form einer Muschel, der Henkel war eine zarte grüne Ranke. Er getraute sich kaum, sie anzufassen. Auf einem Teller lag hübsch glasiertes Konfekt.
    «Und waren Sie an dem betreffenden Freitagabend auch in der Hammerschmiede?»
    «Ja, gegen sechs, auf einen Campari mit Limone.»
    «Sie haben diesen Ainsley nicht gesehen? Ich meine später. Er soll gegen sieben, vielleicht auch gegen halb acht dort angekommen sein.»
    «Nein, tut mir leid.»
    «Die Hammerschmiede hat doch noch einen Hintereingang, der gewöhnlich nicht verriegelt ist?»
    «Ja, ich habe ihn auch schon benutzt.» Trueblood öffnete weit den Mund. «Ah! Ich sehe, worauf Sie hinauswollen. Wie bei Small – der Mörder kam durch den Hintereingang?»
    Aber Jury zog überhaupt keine Parallelen; die Kellertür der Pandorabüchse hatte für ihn eine ganze andere Bedeutung. Jury blickte zur Decke. «Haben Sie noch weitere Räume über dem Laden?»
    «Nein, Inspektor. Früher einmal, aber der Lärm der Kneipe –»
    «Sie haben also nichts gesehen und auch nichts gehört?»
    Die Tasse an den Lippen, schüttelte Trueblood den Kopf.
    «Und Sie leben – wo?»
    «In einem kleinen Haus gleich hinter dem Platz, jenseits der Brücke. Sie können es nicht verfehlen, es ist das mit den Krummstreben.»
    «Sie haben auch schon in London gelebt – in Chelsea, genauer gesagt – stimmt das?» Jury ging im Geist noch einmal Pratts Bericht durch. «Und Sie hatten einen Laden in der Jermyn Street?»
    «Donnerwetter! Ihr Polizisten!» Trueblood schlug sich mit gespielter Verwunderung gegen die Stirn. «Es ist, als würde die Vergangenheit auferstehen!»
    «Northamptonshire liegt ja nicht gerade im Zentrum des Geschehens», sagte Jury.
    Trueblood warf ihm einen lauernden Blick zu. «Sie meinen, für jemanden wie mich?»
    Jury bemerkte, daß seine Stimme etwas tiefer klang. Irgendwie erschien er verstört oder irritiert oder beides. Aber Trueblood fiel schnell wieder in seinen früheren Ton und sagte: «Ich hatte genug von der Stadt. Und ich hörte, daß sich hier bessere Leute ansiedelten: Leute mit Geld, Künstler, Schriftsteller, diese Sorte.»
    «Ich nehme an, daß Sie die Leute hier über Ihren Laden ziemlich gut kennengelernt haben? Den Besitzer der Pandorabüchse zum Beispiel …?»
    «Simon Matchett. Ein netter Kerl, aber seine altenglischen Eichenmöbel werden eines Tages auseinanderfallen, so wurmstichig sind sie. Na ja, ein Gasthof muß schließlich wie ein Gasthof aussehen. Isabel Rivington findet ihn jedenfalls wundervoll. Ihn und Matchett.» Trueblood zwinkerte ihm zu. «Dabei hat sie überhaupt nichts Rustikales an sich.» Als er aufstand, um Jury den Kuchenteller zu reichen, blickte er kurz aus dem Fenster. «Und hier kommt Madam. Todschick wie immer.»
    «Wer ist das?»
    «Lorraine Bicester-Strachan.» Er verzog das Gesicht. «Louis Quinze.»
    «Meinen Sie ihren Begleiter? Oder den Stil?» fragte Jury trocken.
    Trueblood lachte. «Sehr komisch. Den Stil, Inspektor, den Stil. Sie ist aber nicht in der Lage, eine Kopie von einem Original zu unterscheiden. Ein richtiges kleines Aas. Ich möchte nicht mit dem guten, alten Willie tauschen – das ist ihr Mann – auch nicht für ein Oeben-Original. Auch eine, die’s auf Matchett abgesehen hat. Simon braucht nur Viv Rivington einen Blick zuzuwerfen, und schon gerät sie aus dem Häuschen. Läuft allem nach, was Hosen trägt, abgesehen natürlich von mir.» Er rückte seine Brille zurecht. «Muß ein harter Schlag gewesen sein für unsere liebe Lorraine, als ihr Melrose Plant einen Korb gab. Plant, das ist jemand mit Geschmack. Einer meiner besten Kunden. Bevorzugt Queen Anne. Was seine verrückte, alte Tante beinahe umbringt; sie mag’s viktorianisch. Waren Sie schon einmal bei ihr? Ein fürchterlicher Plunder, eine

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