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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Handtasche, während er mit der andern Agatha praktisch aus ihrem Sessel zog; an der Tür brüllte sie jedoch: «Meine Uhr! Meine Uhr! Ich hab’ meine Uhr verloren!» Und sie befreite ihren Arm und stürzte in den Salon zurück, um zwischen den Kissen danach zu suchen.
    Melrose seufzte – wieder eine Runde, die er verloren hatte.

    Während Agatha im Salon die Kissen durchwühlte, stand Jury in der Eingangshalle, eine Bezeichnung, die eigentlich viel zu banal war für diesen prachtvollen Raum mit seiner faszinierenden Sammlung mittelalterlicher Waffen: Schwerter, Gewehre, Speere, Lanzen, die über den Rundbögen der Eingänge hingen und so blank poliert waren, daß man den Eindruck hatte, die Klingen wären aus Licht geschmiedet.
    Der Butler kam zurück und führte Jury durch die geschnitzten Holztüren.
    Zu seinem Erstaunen erblickte er Lady Ardry, die die Wohnung zu durchsuchen schien. Kaum hatte er einen Schritt in das Zimmer getan, kam sie auch schon mit ausgestreckter Hand auf ihn zugestürmt. «Inspektor Jury! So trifft man sich wieder!» Während sie ihm die Hand schüttelte, musterte Jury den Mann, der in der Mitte des Raums stand. Er war groß, sehr sympathisch und trug einen legeren, seidenen Liberty-Morgenmantel; die Haare waren so zerzaust, als hätte man ihn gerade aus dem Bett geholt. Am auffälligsten fand Jury jedoch den Ausdruck der smaragdgrünen Augen, vor die er gerade eine Goldrandbrille schob: äußerst wach und intelligent.
    «Meine Tante wollte gerade aufbrechen, Inspektor. Ich bin Melrose Plant.»
    Jury ergriff seine Hand und bemerkte, daß Lady Ardry nicht gerade den Eindruck machte, als wolle sie aufbrechen. Ihre Beine schienen mit dem Fußboden verwurzelt zu sein.
    «Der Inspektor hätte vielleicht gern eine Bestätigung deiner Aussage», sagte sie.
    «Erst einmal braucht er die Aussage, Agatha. Und dazu wird er mich wahrscheinlich unter vier Augen sprechen wollen.»
    Ihre Augen verengten sich. «Unter vier Augen? Aber warum denn? Du wirst ihm doch nichts erzählen, was nicht für meine Ohren bestimmt ist?»
    Melrose packte sie entschlossen am Arm, schob die Handtasche darunter und führte sie zur Tür. «Wir sehen uns morgen. Aber nicht in aller Herrgottsfrühe, es sei denn, auf dem Rasen vor meinem Haus soll ein Duell stattfinden.»
    Agatha bellte immer noch Anweisungen, während ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde.
    Plant wandte sich an Jury und sagte: «Entschuldigen Sie, Inspektor, aber meine Tante hat in den letzten drei Stunden pausenlos auf mich eingeredet, ich hatte nicht einmal Zeit zum Frühstücken. Wenn Sie mir Gesellschaft leisten wollen – wir könnten uns ja unterhalten, während wir essen.»
    «Danke, ich habe schon gefrühstückt.»
    Ruthven erschien, fragte Melrose nach seinen Wünschen und verschwand wieder, um sie zu erfüllen.
    Melrose Plant bot Jury den Platz an, von dem seine Tante gerade vertrieben worden war. «Sie haben sich in der Pandorabüchse einquartiert?»
    Jury nickte und nahm eine Zigarette aus dem Lackkästchen, das Melrose ihm hinhielt.
    «Sie wollen bestimmt etwas über Donnerstag- und Freitag abend hören? Was möchten Sie haben, Tatsachen oder meine persönlichen Eindrücke?»
    Jury lächelte. «Schaffen wir uns erst mal die Tatsachen vom Hals, wenn Ihnen das recht ist, Sir.»
    «Inspektor, ich bin wohl kaum älter und bestimmt nicht weiser als Sie. Es besteht also keine Veranlassung, mich mit ‹Sir› anzureden.»
    Jury spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. «Gut, ah – Mr. Plant, sollte einer der Fakten, die ich zusammengetragen habe, nicht stimmen, können Sie mich dann bitte berichtigen.» Jury charakterisierte kurz die Anwesenden, erwähnte die Verfassung, in der sich die Gäste befunden hatten, sowie das Auftauchen und Verschwinden Smalls.
    «Ja, genauso hab ich das auch in Erinnerung. Es muß acht oder halb neun gewesen sein, als Small mit Trueblood an der Bar saß.»
    «Und danach haben Sie ihn nicht mehr gesehen?»
    Melrose schüttelte sehr bestimmt den Kopf. «Nein, nicht, bis meine Tante brüllend –»
    «Ihre Tante? Brüllend?» Jury unterdrückte ein Lächeln.
    «Und wie. Man konnte ihr Gebrüll bis nach Sidbury hören.» Plant musterte Jury durch halbgeschlossene Lider. «Sie hat Ihnen wohl erzählt, sie hätte die Situation im Griff gehabt. Sie brauchen mir gar nicht zu antworten. Ich sehe schon: Um sie herum das Chaos. Agatha selbst fest und unerschütterlich wie ein Fels.»
    «Sie meinte, die Serviererin –

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