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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ausweichend: «Die Polizei wird bald alles aufgeklärt haben.» Er hoffte nur, daß das auch der Fall sein würde; sie würde ihn sonst jeden Morgen mit dem ersten Sonnenstrahl heimsuchen, um ihre Bulletins zu verkünden.
    «Es gibt natürlich auch noch eine andere Möglichkeit.» Sie hatte ihr Katz-und-Maus-Lächeln aufgesetzt.
    «Und die wäre?» fragte er ohne großes Interesse.
    «Daß dieser Small gar nicht in dem Gasthof ermordet wurde. Der Mörder hat ihn draußen erdrosselt und durch die hintere Kellertür hereingeschleppt. Er muß nach einem Platz für die Leiche gesucht haben. Small kann überall ermordet worden sein.»
    «Warum?»
    Sie blickte ihn mißtrauisch an. «Was heißt warum?»
    «Warum sollte ihn jemand in die Pandorabüchse gebracht haben? Warum hat der Betreffende diesen Small nicht einfach liegen lassen, irgendwo, auf freier Wildbahn, über einen Baum drapiert oder sonstwas?»
    Agatha hatte den Blick auf ein Rosinenbrötchen geheftet. «Weil er wußte, daß die Polizei so argumentieren würde wie du und die Polizei das nun auch tun! Daß einer von uns der Schuldige sein muß.» Ihre Augen glitzerten triumphierend, und sie machte sich über das Rosinenbrötchen her.
    Melrose goß sich etwas Port nach und sagte: «Aber selbst in diesem Fall kann es nur einer aus Long Piddleton sein, begreifst du das nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, daß jeder Killer der Britischen Inseln wußte, daß unsere kleine, illustre Runde in diesem Gasthof speisen würde und daß er seine Leiche nur in unserm Keller abzuladen brauchte, damit einer von uns es dann auszubaden hat.» Er nippte an seinem Portwein; über sein Glas hinweg sah er, wie sich ihre Augen zu bösen kleinen Schlitzen verengten. Er hatte schon wieder eine ihrer Tontauben abgeschossen, und sie wollte sie zurückhaben.
    «Und was ist mit dem zweiten Mord? Mit diesem Ainsley? Mein lieber Plant, nur ein Verrückter würde eine Leiche auf –»
    Melrose war in seinen braunen Ledersessel gerutscht und hatte die Augen geschlossen, in der Hoffnung, seine Tante würde auf diesen Wink reagieren. Aber nein, wie eine alte, senile Spinne spann sie ihre klebrigen, kleinen Theorien weiter …
    «Melrose!»
    Seine Augendeckel klappten wieder auf.
    «Du bist schon wieder in meiner Gegenwart eingeschlafen! Ruthven möchte dich sprechen.»
    Der Butler schloß gequält die Augen. Seit Jahren sprach Agatha seinen Namen falsch aus. War es Absicht? Nein, dachte Melrose, sie hat einfach nur Schwierigkeiten mit englischen Namen.
    «Eure Lordschaft», sagte Ruthven. «Ich frage mich, was wir wegen der Weihnachtsgans unternehmen sollen. Martha braucht Maronen für die Füllung, Sir, und es sieht so aus, als hätten wir keine.»
    Verdammt, dachte Melrose und wünschte, Ruthven hätte dieses Thema nicht in Agathas Gegenwart erwähnt. «Vielleicht können Sie jemand zu Miss Ball schicken. Wenn alle andern nichts mehr haben, sie hat immer noch was.» Ruthven nickte und glitt aus der Tür.
    «Gans? Es gibt eine Gans dieses Jahr? Wie hübsch!» Das Festessen vor Augen, rieb sich Agatha erwartungsfreudig die Hände.
    Er hätte sie natürlich wie immer zum Weihnachtsessen eingeladen. Sein Plan war jedoch gewesen, einen alten Truthahn für sie zu besorgen und die Gans für einen kleinen Mitternachtssnack aufzuheben, zu dem er sich eine Flasche Château Haut-Brion gönnen wollte. «Kannst du überhaupt eine Gans von einem Truthahn unterscheiden? Ich meine, wenn du sie gerupft auf einem Teller siehst?»
    «Was brabbelst du denn da, Melrose? Natürlich kann ich das.» Sie begutachtete einen Limoges-Aschenbecher.
    «Auch wenn der Truthahn ganz dünn ist?»
    «Ich glaube, du hast einen Nervenzusammenbruch, Melrose. Deine Augen sehen ganz fiebrig aus. Also wenn Ruthven –»
    «Könntest du dir bitte angewöhnen, seinen Namen richtig auszusprechen. Rivv’n nicht Ruth-ven. Rivv’n .»
    «Warum wird er dann Ruth-ven geschrieben? Rivv’n hat kein th. »
    «Da wir schon dabei sind, du sprichst Bicester-Strachan aus, als hätte das Wort zwanzig Silben. Sie heißen Bister-Strawn .»
    Noch bevor sie diesen Angriff parieren konnte, stand Ruthven wieder in der Tür. «Ein Herr vom Scotland Yard möchte Sie sprechen, in der Halle. Oberinspektor Jury ist sein Name.»
    Gerettet! «Um Himmels willen, lassen Sie ihn nicht draußen rumstehen, Lady Ardry wollte sowieso gerade gehen –» Melroses Griff konnte wie eine Eisenklammer sein, wenn er es darauf anlegte. In der einen Hand hielt er ihre

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