Inspektor Jury schläft außer Haus
um den Hals. «Er drückt so lange gegen den Kehlkopf, bis Small ohnmächtig wird, dann steckt er den Kopf des Opfers in das Faß. Das scheint ganz spontan passiert zu sein. Oder …»
«Was?»
«Es ist natürlich auch möglich, daß der Mord geplant war, dann aber so ausgeführt wurde, daß es spontan aussah. So groteske Details, wie Smalls Kopf in ein Bierfaß zu stecken und Ainsley auf diesen Balken zu stellen –» Plants grüne Augen glitzerten. «Warum das alles? Dieses bizarre Beiwerk kommt mir irgendwie schon zu bizarr vor.»
«Sie meinen, weil es die Aufmerksamkeit auf die Ausführung lenkt und gleichzeitig von etwas anderem ablenkt – zum Beispiel von dem Motiv? Ein Ablenkungsmanöver also?»
«Oder ist der eine Mord nur begangen worden, um von dem andern abzulenken?» gab Melrose zu bedenken. «Ainsley wurde vielleicht nur umgebracht, um Small den ersten Platz streitig zu machen, oder umgekehrt.»
«Damit die Polizei schließlich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht?» Jury ließ sich Kaffee aus der silbernen Kanne nachgießen und dachte, daß Plant ein außergewöhnlich scharfsinniger Mann war. Er hoffte nur, er war nicht der Mörder.
«Komisch», meinte Melrose, «Small und Ainsley schienen hier wirklich völlig fremd gewesen zu sein. Keiner kannte sie, und sie kannten einander auch nicht – oder zumindest sah es so aus. Was für ein Schlamassel; praktisch kommt jeder in Frage, aber keiner scheint ein Motiv zu haben. Es würde die Sache wesentlich vereinfachen, wenn das Opfer einer von uns gewesen wäre.»
«Warum das?»
«Weil dann kein Mangel an Motiven bestünde. Wäre es zum Beispiel Willie Bicester-Strachan gewesen, hätte man Lorraine verdächtigen können. Und wäre ich es gewesen, dann würde es gleich eine Reihe von Verdächtigen geben – angefangen mit meiner Tante. Wäre Sheila Hogg das Opfer gewesen, käme Oliver Darrington in die engere Wahl –»
«Darrington sollte Miss Hogg ermorden wollen? Aber wieso denn?»
«Weil er dann versuchen könnte, Vivian Rivington zur Ehe zu bewegen. Das Geld, Sie verstehen. Zweifellos hat Sheila sich schon genau überlegt, wie sie Oliver erpressen kann, falls er ihr zu entlaufen droht. Und im Falle meiner Tante Agatha käme praktisch das ganze Dorf in Frage.»
«Und bei Vivian Rivington?»
Melrose warf ihm einen prüfenden Blick zu. «Was ist mit Vivian?»
«Die Tatsache, daß Miss Rivington in sechs Monaten ein ziemlich großes Vermögen erben wird, ist doch wohl ziemlich bedeutsam, oder nicht? Wer gewinnt und wer verliert dabei?»
«Ich habe doch nur so herumgespielt. Was hat denn Vivs Vermögen mit Small und Ainsley zu tun?»
«Nichts, soviel mir bekannt ist. Es wäre aber nicht das erste Mal, daß mehrere Leute gekillt wurden, um von dem eigentlichen Motiv abzulenken.»
«Ich kann Ihnen nicht folgen, Inspektor.»
Jury wechselte das Thema. «Mrs. Bicester-Strachan erzählte, Sie hätten eine Zeitlang Ihren Tisch geteilt. An dem Abend, als Small ermordet wurde.»
«Nicht wirklich ‹geteilt›. Ich hab meine Tischhälfte mit einem strategischen Scharfsinn verteidigt, um den mich Rommel beneidet hätte.» Melrose nahm sich eine Scheibe Toast von dem silbernen Toastständer, biß hinein und sagte: «Warum sagt man den Engländern eigentlich nach, sie äßen am liebsten kalten Toast?» Er legte den Rest der Scheibe auf seinen Teller.
«Mrs. Bicester-Strachans Gefühle für Sie scheinen etwas zwiespältig zu sein.»
«Das ist sehr höflich ausgedrückt.» Melrose seufzte und meinte dann: «Nein, Inspektor, zwischen Lorraine und mir hat es nie was gegeben.»
«Und auch nicht zwischen Ihnen und Miss Rivington?»
«Sie erinnern mich an meine Tante. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen meinem Privatleben und dieser Sache.»
«Oh, Mr. Plant, überlegen Sie doch. Wenn wir das Privatleben ausklammern würden, hätten wir überhaupt keine Chance, jemals einen Schuldigen zu finden.»
Plant hob die Hand. «Schon gut, schon gut. Auch wenn meine Tante denkt, jede heiratsfähige Frau der Grafschaft hätte es darauf abgesehen, mich einzufangen und sie um ihr ‹rechtmäßiges› Erbe zu bringen, kann ich Ihnen nur versichern, daß es bis jetzt nur ganz wenige waren, die sich für mich interessiert haben. Es gab natürlich ein paar Frauen in meinem Leben, ganz normale Beziehungen zu ganz normalen schönen Frauen. Ich war einmal verlobt, aber meine Verlobte hat sich wieder entlobt, da sie der Meinung war, ich sei ein Snob und Müßiggänger,
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