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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Miss Murch – sei völlig durchgedreht.»
    «Oh, das ist sie wohl auch. Alle reagierten, wie man in solchen Fällen reagiert – man faßt sich an die Kehle, rollt mit den Augen, springt vom Stuhl auf –»
    «Das hört sich ja sehr theatralisch an, Mr. Plant.»
    Plant lächelte. «Ich muß zugeben, daß ich mich auch fragte, wer von ihnen es wohl gewesen war.»
    Jurys Hand mit der Zigarette verharrte auf halbem Weg. «Sie dachten also, es war jemand in dem Gasthof?»
    Melrose blickte ihn erstaunt an. «Daran ist meiner Meinung nach überhaupt nicht zu zweifeln. Sofern man nicht die Ripper-Theorie meiner Tante vertritt oder diese andere Theorie von dem Mann, der Long Piddleton unsicher macht, weil er einen geheimen Groll gegen Gasthofbesucher hegt. Aber alle in der Pandorabüchse schienen zu glauben, der Mörder sei durch die Kellertür hereingekommen.»
    «Und Sie glauben das also nicht?»
    Melrose schaute ihn an, als hätte er von Scotland Yard mehr erwartet, sei aber zu höflich, es zu sagen. «Dieser Small wird immer als ‹Ortsfremder› bezeichnet, der ganz zufällig in Long Piddleton aufkreuzte, was eigentlich schon ziemlich unwahrscheinlich ist.»
    «Und wieso, Mr. Plant?»
    «Weil er den Zug und anschließend den Bus genommen hat. Wie kann er da ‹auf Durchreise› gewesen sein?» Der Butler erschien, und Plant sagte: «Ah, das Frühstück.»
    «Ich habe es im Eßzimmer serviert, Sir.»
    «Vielen Dank, Ruthven. Kommen Sie, Inspektor Jury.»

    Unter dem Fächergewölbe des Eßzimmers hingen riesige, prachtvolle Porträts der Ardry-Plant-Linie. Eines der kleinsten am Ende der Reihe zeigte Melrose Plant an einem Schreibtisch mit einem aufgeschlagenen Buch vor sich.
    «Etwas selbstherrlich, finden Sie nicht auch? Von sich selbst ein Porträt aufzuhängen? Aber meine Mutter bestand darauf. Sie ließ es kurz vor ihrem Tod malen. Das hier ist meine Mutter. Die Frau in Schwarz.»
    Es war das Porträt einer hübschen jungen Frau in einem schwarzen Samtkleid, die sehr schlicht und würdevoll wirkte. Neben ihr hing das Bild eines untersetzten, freundlich dreinblickenden Mannes, der von einer Meute Jagdhunde umgeben war. Plant war seiner Mutter nachgeschlagen.
    Während Melrose sich auftat, sagte er: «Martha hat wohl angenommen, meine Tante würde bleiben – das hier reicht für zwölf Personen. Bitte, nehmen Sie doch etwas, Inspektor Jury.» Er hob die gewölbten Silberdeckel hoch: gebratene Nieren, seidig schimmernde Eier in Butter, Seezunge, heiße Brötchen.
    Jury mußte zugeben, daß er sich in einem sehr gastfreundlichen Dorf befand; dennoch lehnte er dieses elegante zweite Frühstück ab. «Vielen Dank, Mr. Plant. Eine Tasse Kaffee genügt mir. Sie sagten, Sie glauben nicht, daß der Mörder die Kellertür aufgebrochen hat?»
    «Inspektor – ich nehme auch nicht an, daß Sie das glauben, aber ich will Ihnen gern meine Gründe nennen. Angenommen, der Mörder kam von draußen – ist es dann anzunehmen, daß er sich ein öffentliches Lokal aussuchte, um sich mit seinem Opfer zu treffen? Aber gehen wir trotzdem davon aus, daß er diese seltsame Verabredung getroffen hat und daß Small ihn wie abgemacht im Keller erwartete – warum mußte er dann die Tür aufbrechen, um reinzukommen? Hätte Small ihm nicht aufgemacht? Es ist wohl kaum anzunehmen, daß der Mörder rein zufällig um den Gasthof herumging, Small durch das verstaubte Kellerfenster erblickte und sich sagte, ‹Oh, mein Gott, das ist doch Small, mein Erzfeind!› Worauf er dann die Tür eintrat.» Melrose Plant schüttelte den Kopf und schenkte Kaffee ein.
    Jury lächelte, da Plant seine eigenen Gedanken wiedergegeben hatte. Er zog seine Players hervor und bot Plant eine an. Sie fingen an zu rauchen.
    «Was glauben Sie also, Mr. Plant?»
    Plant betrachtete einen Augenblick lang die Bilder an der Wand und sagte dann: «Bei einem solchen Treffpunkt kann es meiner Meinung nach nur eine ganz spontane Sache gewesen sein. Für einen der Anwesenden muß Small überraschend aufgetaucht sein; im Lauf des Abends hat er sich dann mit ihm im Keller verabredet. Die Art und Weise, wie er ihn ermordet hat, scheint das auch zu bestätigen. Der Mörder erdrosselte ihn mit dem Stück Draht von einer Champagnerflasche und steckte dann seinen Kopf in dieses Bierfaß. Soll ich Ihnen den Ablauf schildern?»
    «Ich bitte darum.»
    «Unser Mörder diskutiert mit Small und dreht dabei den Draht auf, und dann –» Plant hob die Arme und legte sich ein fiktives Stück Draht

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