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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Sie?» Pfarrer Denzil Smith zeigte auf eine Abbildung in einem Buch über Wirtshausschilder. Das Buch lag aufgeschlagen auf einem kleinen Tisch zwischen Jury und Plant; daneben stand ein Teller mit Sandwiches und Bier, das die Haushälterin für sie bereitgestellt hatte. Jury betrachtete die Abbildungen und war beeindruckt von der Phantasie des Schildermalers oder der Person, die sich Schwäne mit zwei Hälsen ausgedacht haben mochte.
    «Früher», fuhr der Pfarrer fort, «wurden den königlichen Vögeln kleine Rillen in die Schnäbel geritzt. Soviel ich weiß, pflegten die Mitglieder der Londoner Weinhändlerzunft das auch zu tun, um ihre Schwäne von den übrigen zu unterscheiden. Es müßte also eigentlich der Schwan mit den zwei Rillen heißen. Was Sie hier sehen, ist das Werk eines ungebildeten Schildermalers, der nicht richtig lesen oder schreiben konnte und nick mit neck verwechselt hat.» Zufrieden lehnte sich der Pfarrer zurück, nachdem er sich noch ein halbes Käse-Gurken-Sandwich genommen hatte.
    «Großer Gott», sagte Jury immer noch auf das Bild starrend, «der Mörder hat also Creed mit zwei ‹Rillen› markiert –»
    «Das nehme ich an», sagte der Pfarrer. «Die Schnitte waren auf der Nase, nicht?»
    «Aber warum, um Himmels willen?» sagte Plant. «Nur um seinen Spaß zu haben?»
    Jury zündete sich eine Zigarette an. «Seinen Spaß? Ich denke nicht. Wahrscheinlich wieder ein Ablenkungsmanöver.»
    Der Pfarrer hatte nicht die Absicht, sogleich wieder abzutreten, nachdem er einen Augenblick lang im Mittelpunkt des Interesses gestanden hatte. «Es gibt noch andere Beispiele dafür – ich meine für diese Art von Verballhornungen. Am Ortsausgang von Weatherington steht der Gasthof Zum Bullen und Maul. Können Sie sich vielleicht denken, wie dieser Name zustande kam?» Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr er fort: «Das Schild sollte an die Einnahme des Hafens von Boulogne durch Heinrich VIII. erinnern, verstehen Sie? Mouth steht für Hafen. Boulogne Mouth.» Der Pfarrer setzte seine Brille wieder auf.
    Jury wollte ins 20. Jahrhundert zurück, fühlte sich jedoch verpflichtet, sich diesen Exkurs anzuhören, da er von dem Pfarrer etwas erfahren hatte, was er sonst nie erfahren hätte.
    «Wußten Sie, daß Hogarth das ursprüngliche Schild für Die Büchse der Pandora gemalt hat? Es gibt mehrere Gasthöfe mit diesem Namen. Aber Zur Glocke ist natürlich ein viel häufigerer Name – muß über fünfhundert davon in England geben. Schwäne mit zwei Köpfen ist schon seltener, obwohl es auch einen in Cheapside gibt – ein Schild an einer langen Eisenstange, wie das Schild des Weißen Herzens in Scole. Es kostete über 1000 Pfund, dieses Schild, und das im Jahr 1655. Ist das nicht unglaublich? Diese Schilder hingen weit über die Straße und fielen immer wieder herunter und erschlugen irgendwelche Passanten. Etwas außerhalb von Dorking gibt es einen Sack voll Nägel, ein sehr häufiger Name. Ich glaube, ursprünglich hieß das Zum Teufel mit dem Sack voll Nägel , ein sehr interessanter Name –»
    Jury hielt es nicht mehr aus und versuchte die Aufmerksamkeit des Pfarrers von etymologischen Spitzfindigkeiten und Wirtshausschildern, die den Leuten auf die Köpfe fielen, auf ihre eigenen, etwas aktuelleren Probleme zu lenken. «Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Auskünfte, Herr Pfarrer. Ich kann mir nicht vorstellen, daß einer von uns – ich meine von der Polizei – jemals darauf gekommen wäre.» Der Pfarrer strahlte. «Sie waren doch auch am Donnerstagabend in der Pandorabüchse? Ich hätte da noch ein paar Fragen an Sie.»
    «Entsetzlich, einfach entsetzlich.» Seine Schilderung des Abends, an dem Small ermordet worden war, enthielt jedoch noch weniger Details als die der andern Gäste. Zwischen neun und zehn hatte der Pfarrer mit Willie Bicester-Strachan Dame gespielt. «Daß so etwas in Long Piddleton passieren kann! Ich bin nun schon seit 45 Jahren hier. Angefangen habe ich als Stellvertreter des früheren Pfarrers. Meine Frau – Gott segne sie – starb vor neun Jahren. Danach hat mich Mrs. Gaunt recht gut versorgt, sie und die jeweiligen Hausangestellten, Ruby zum Beispiel.» Sein Gesicht nahm einen etwas ratlosen Ausdruck an. «So lange wie diesmal war Ruby noch nie weg.»
    «Ja, was diese Ruby Judd betrifft – soweit ich informiert bin, müßte sie eigentlich schon längst wieder zurück sein. Wann genau ist sie denn gefahren?»
    «Letzten Mittwoch, soviel ich mich erinnere – mein Gott,

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