Inspektor Jury schläft außer Haus
verscheuchen. «Aber all das liegt schon sechzehn Jahre zurück. Und schlafende Hunde soll man nicht wecken.» Er warf Jury einen Blick zu. «Ich hoffe zumindest, daß sie schlafen, sicher bin ich mir nicht.»
«Irgendwas kommt immer dazwischen!» Jury lächelte und nahm sich vor. sich von Wiggins die Akte über den Fall Celia Matchett besorgen zu lassen. «Etwas anderes – dieses Gerücht, daß Sie sich mit Miss Rivington – ich meine, mit Vivian Rivington – verlobt haben, was hat es damit auf sich?» fragte Jury so beiläufig wie nur möglich.
Matchett war überrascht. «Was hat denn das mit dem Mord zu tun?»
Jury lächelte matt. «Keine Ahnung, deswegen frage ich ja.»
«Nun ja, daß zwischen mir und Vivian was ist, möchte ich nicht abstreiten.»
«‹Was› kann sehr viel bedeuten.»
«Sagen wir, ich habe sie gefragt, ob sie mich heiraten wolle. Aber das bedeutet noch lange nicht, daß sie es auch tut.»
«Warum sollte sie nicht?»
Matchett zuckte mit den Schultern und lächelte. «Wer weiß schon, was in den Köpfen der Frauen vor sich geht, Inspektor.» Er zündete sich eine Zigarre an.
Jury ärgerte sich weniger über die männliche Überheblichkeit, die in dieser Bemerkung zum Ausdruck kam, als über die Tatsache, daß er Vivian einfach mit allen andern Frauen in einen Topf warf. «Sollten Sie nicht wissen, was in Miss Rivingtons Kopf vorgeht, wenn Sie sich mit der Absicht tragen, sie zu heiraten?» Wie absurd, die Partei einer Frau zu ergreifen, die er erst vor knapp einer Stunde kennengelernt hatte. Aber Matchetts banale Bemerkung irritierte ihn auch, weil er durch seine Arbeit zu nah an den Kern der Dinge geriet, um nichtssagende Verallgemeinerungen wie die von Matchett dulden zu können.
Matchett zog einfach nur an seiner Zigarre und betrachtete Jury durch seine halbgeschlossenen Lider. «Ja, wahrscheinlich.»
Jury, der sich einen Bleistift geschnappt hatte und auf einem Blatt Papier herumkritzelte, um sich ein wenig abzulenken, fragte: «Lieben Sie Miss Rivington, Mr. Matchett?» Matchett rollte die Zigarre in seinem Mund und musterte Jury. «Was für eine zynische Frage, Inspektor. Ich sagte Ihnen doch, daß ich ihr einen Heiratsantrag gemacht habe.»
Ja oder nein, Kumpel , hätte Jury am liebsten gesagt, aber statt dessen fragte er: «Ich nehme an, ihre Schwester weiß Bescheid?»
«Ich glaube schon. Und sie ist wohl auch damit einverstanden.»
Jury wußte, daß Matchett weder dumm noch unsensibel war – warum stellte er sich dann so? «Es wäre nicht gerade einfach für ihre Schwester, wenn Vivian heiraten würde. So wie es jetzt aussieht, kann Isabel mehr oder weniger über das Geld verfügen.»
«Meinen Sie, sie würde sie auf die Straße setzen oder so was Ähnliches? Vivian würde das Isabel nie antun. Und Isabel würde für Vivian auch durchs Feuer gehen.»
Jury war sich dessen nicht so sicher – keine Sekunde lang glaubte er daran. Er kam wieder aufsein ursprüngliches Thema zurück. «Sie sind also um elf Uhr am Schwanen angekommen?»
«Ja, richtig. Er macht um diese Zeit auf.»
«Wo waren Sie um zehn? Oder zwischen zehn und elf?» Matchetts Alibi wies immer noch eine Lücke von einer halben Stunde auf.
«In Dorking-Dean. Einkaufen.»
«Und wann fuhren Sie weg?»
«Oh, ungefähr Viertel vor elf. Ich erinnere mich, daß ich eine gute Viertelstunde in dem Kreisverkehr steckte. Der Weihnachtsrummel!»
«Aha, ich glaube, das wär’s für heute, Mr. Matchett. Ich melde mich wieder.»
Als Matchett aufstand, steckte Pluck den Kopf durch die Tür und sagte Jury, Mr. Plant sei draußen und wolle ihn sprechen. Jury ließ ihn eintreten.
Ohne lang Platz zu nehmen, drängte ihn Melrose: «Inspektor, ich glaube, Sie sollten mit zum Pfarrhaus kommen. Der Pfarrer kann Ihnen vielleicht weiterhelfen. Er stand vor dem Schwanen und hörte, was die Polizisten über den Zustand der Leiche sagten. Das war, kurz bevor wir ankamen.»
Jury war aufgestanden und zog seinen Mantel an. «Wieso, was ist mit der Leiche, Mr. Plant?»
«Der Pfarrer sagte, er habe gehört, daß der Mann ein paar Schnittwunden im Gesicht habe. Ich glaube auf der Nase. Schnittwunden, für die es keine Erklärung gibt.»
Jury hätte sich gewünscht, die Polizei wäre zurückhaltender mit ihren Auskünften – etwas zumindest. «Ja, das stimmt, diese Schnitte sind wirklich sehr seltsam.»
«Nun, der Pfarrer weiß, was sie bedeuten, oder zumindest behauptet er das.»
XI
«Es ist eine Verballhornung, verstehen
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