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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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haben Sie eine Ahnung, ob es jemanden gab, der, äh, der ihm übelwollte?»
    Sie schüttelte heftig den gesenkten, zwischen den Händen vergrabenen Kopf. Jury hatte nicht den Eindruck, als sei sie von ihren Gefühlen überwältigt; die Ehe der Creeds hatte wohl bestenfalls auf dem Papier bestanden. Obwohl über jeden Tadel erhaben, schien ihm Mrs. Creed nicht gerade eine Frau von tiefen Gefühlen zu sein.
    «Sie wissen nicht, ob er irgendwelche Feinde hatte?»
    «Nein. Wir haben sehr zurückgezogen gelebt, Mr. Creed und ich.»
    «Hat er sich während seiner Arbeit die Feindschaft bestimmter Leute zugezogen?»
    «Nicht, daß ich wüßte.»
    Für Jury waren diese Fragen nur Routine, denn instinktiv wußte er schon, daß nichts dabei herauskommen würde. Er glaubte nicht, daß Creeds Tod sich durch irgendwelche dunklen Punkte in seiner Vergangenheit erklären ließe. Jury entnahm einem braunen Umschlag ein Foto von William Small, für das man ihn etwas hergerichtet hatte, trotzdem bot er keinen erfreulichen Anblick. «Mrs. Creed, kennen Sie diesen Mann?»
    Sie schaute es sich an, wandte sich dann aber schnell wieder ab und schüttelte den Kopf.
    «Sagt Ihnen der Name ‹William Small› etwas?»
    Ungeweinte Tränen verschleierten ihre Augen, aber trotz der längeren Pause bezweifelte Jury, daß sie ernsthaft nachdachte. «Nein, dieser Name sagt mir überhaupt nichts.» Auf das Foto von Ainsley, das auch in den Zeitungen erschienen war, reagierte sie genauso. Aber dann schaute sie es noch einmal genauer an. «Moment mal, ist das nicht ein Foto von diesem Mann, der kürzlich ermordet wurde – warten Sie – wurden sie nicht beide hier in der Gegend ermordet – wie hieß der Ort schon wieder?»
    «Long Piddleton. Ungefähr 40 Kilometer von hier.»
    Fassungslos starrte sie ihn an: «Wollen Sie mir erzählen, daß Mr. Creed da auch ermordet wurde? Ein Massenmörder läuft frei herum, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als mir dumme Fragen zu stellen?»

    Inzwischen hatte die Polizei von Cambridgeshire einen genauen Bericht über Creeds Laufbahn geschickt – eine Karriere, die ziemlich schnell im Sand verlief, wie Superintendent Pratt erklärte. «Es gibt eine Art von Absahnen, die noch toleriert wird. Und dann gibt es das, was Creed praktiziert hat: Er kassierte von bestimmten Werkstätten eine Kommission dafür, daß er ihnen Unfallautos zum Reparieren besorgte. Hätte es sich nur um billige Reparaturen für sein eigenes Auto gehandelt, dann härten seine Vorgesetzten vielleicht noch ein Auge zugedrückt. Hier und da ein freies Essen wäre auch noch durchgegangen. Tun wir doch alle. Ich hätte heute gern ein Pfund für jede kostenlose Mahlzeit, die ich mir von den Restaurants anbieten ließ, wenn ich auf Streife war. In Creeds Fall war es zwar auch noch keine echte Bestechung, aber doch schon sehr nahe daran. Er machte ein nettes kleines Geschäft nebenbei, auf den Kopf gefallen war er nicht. Trotzdem ließen sie ihn ‹in den Ruhestand› treten. Wir haben jedenfalls mal seine früheren Kollegen nach seiner jetzigen Tätigkeit gefragt, sie hatten aber keine Ahnung. Creed war eine Null, ein Nichts. Und kein besonders guter Polizist, auch nicht unter den besten Voraussetzungen. Höchst unwahrscheinlich, daß er es bis zum Kriminalinspektor gebracht hätte. Nichts weist darauf hin, daß er die beiden andern – Small und Ainsley – gekannt hat.
    Seine Kollegen haben überhaupt keinen Kontakt mehr mit ihm.» Pratts lange Beine lagen auf dem Schreibtisch des Polizeibüros. Er trug immer noch seinen schweren Mantel und versuchte, eine uralte Pfeife anzuzünden. «Die Sache ist …» Er zog daran und probierte es mit einem neuen Streichholz. «Die Presse macht uns die Hölle heiß; die Reporter sind hinter mir her wie ein Rudel hungriger Wölfe. Deshalb verbringe ich auch soviel Zeit hier in Northampton. Das hält sie fest, und Sie haben sie nicht auf der Pelle.» Er zog mehrere Male an seiner Pfeife und brachte schließlich ein schwaches Glimmen zustande. «Ich habe alles gelesen, was mir auf den Schreibtisch flatterte, und ich kann nur sagen, daß ich die Geschichte absolut rätselhaft finde. Ich frage mich, ob es sich bei den Morden um Willkürakte handelt oder ob ihnen ein bestimmtes Schema zugrunde liegt.» Pratt kratzte sich mit dem Stiel der Pfeife an dem Vierundzwanzig-Stunden-Bart, der sein Kinn zierte. Ein leichtes Schaben ließ sich vernehmen. «Oder wurden zwei nur begangen, um von einem andern abzulenken? Dem

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