Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
warten mußten.
    Sie befanden sich im Arbeitszimmer des Colonels – Jury, Harkins, der Colonel und Wiggins. Jury hatte Harkins soeben erzählt, was er in London herausgefunden hatte, und Harkins war verärgert, daß es nicht der Fund seiner Männer – das heißt sein Verdienst war. Da ihn Jury mit dem Ergebnis in London überrundet hatte (so wenigstens betrachtete Harkins die Angelegenheit), hatte Jury beschlossen, Harkins mit dem Verhör beginnen zu lassen.
    Die gute Zigarre, die ihm der Colonel anbot, lehnte Harkins zugunsten seiner eigenen, besseren ab. Er entfernte die Zellophanhülle, zündete sie sich mit einem silbernen Feuerzeug an und zog daran, bis sie rot aufglühte. Jury ließ ihm Zeit, ließ ihn seinen Auftritt vorbereiten. Er mußte wohl seine Tücken haben, denn Jury nahm eigentlich an, daß Harkins es vorgezogen hätte, Leuten mit Rang und Namen nicht auf die Füße zu treten – in diesem Fall auf die des Colonels. Allerdings würde er vor Jury nicht als Kriecher erscheinen wollen, indem er vor Sir Titus katzbuckelte. Umgekehrt gehörte er zu denen, die glaubten, sie müßten ausfällig werden, um etwas zu erreichen. Jury vermutete, daß für Harkins der Übergang zwischen beiden Verhaltensweisen fließend war. Er wünschte sich, daß Harkins’ Persönlichkeit da weniger gespalten wäre, denn er spürte, daß er eigentlich ein scharfsinniger Polizist war. Als er Harkins beobachtete, wie er dasaß und den Colonel betrachtete, spürte er, daß er den wirklichen, den eigentlichen Inspektor Harkins vor sich hatte – Harkins in Aspik.
    «Sir Titus», sagte Harkins, «fragten Sie sich nicht, warum sie, wo sie doch eine so gute Reiterin war, über die Mauer gesprungen ist?»
    Die Frage schien den Colonel zu verwirren. «Was?»
    «Aus welchem Grund hätte Olive versuchen sollen, über diese Mauer zu springen?»
    Jury lächelte kurz. Offenbar stand Harkins, wenn nicht mit Jury, dann doch mit dem Tod auf du.
    «Ich weiß es nicht.»
    «Würden Sie es tun?» Bei dieser Frage zog Harkins leicht eine Augenbraue hoch.
    «Nein.»
    «Würde überhaupt jemand an dieser Stelle springen?»
    Colonel Crael runzelte die Stirn. «Ich kenne niemanden, der das je getan hat, nein.»
    «Sie hat es» – Harkins klopfte mit seinem kleinen Finger die Asche von seiner Zigarre – «auch nicht getan.» Der Colonel sah ihn verwundert an. «Aber Sir Titus, haben Sie das nicht schon längst vermutet? Sie fiel nicht über diese Steine. Jemand hat sie da hingelegt.»
    «Hingelegt –?»
    Harkins unterbrach ihn. «Wo war Ihr Sohn heute morgen?»
    Die Frage kam höchst unerwartet und wirkte wie ein Schlag ins Gesicht. «Nun, ich nehme an, Julian befand sich im Bett. Oder er machte einen Spaziergang. Manchmal geht er ganz früh –»
    «Vielleicht im Howl-Moor spazieren?» Harkins knisterte mit der Zellophanhülle, in die seine Zigarre eingewickelt gewesen war. Das unangenehme Geräusch paßte gut zu seiner Stimme. Dem Colonel stieg die Röte ins Gesicht, und er wollte etwas einwenden, wozu ihm Harkins aber keine Gelegenheit gab. «Sir Titus, haben Sie unter diesen Umständen nicht auch daran gedacht, daß Ihre Haushälterin vielleicht ermordet worden ist?»
    «Wie meinen Sie das?»
    Harkins schnaufte ungeduldig über diese Begriffsstutzigkeit. «Den Mord an dieser Temple, natürlich. Sie sagten, Sie ritten der Spur eines anderen Fuchses nach, ist das richtig?» Der Colonel nickte. «Natürlich sind Sie mit dem Zeremoniell einer Jagd weitaus besser vertraut als ich. Dennoch erscheint mir das, was Sie taten, eher als eine Verletzung des Zeremoniells.» Das Gesicht des Colonels zeigte wieder nur Ratlosigkeit.
    «Sir Titus, Ihr Huntsman hat doch die Spur des ersten Fuchses verfolgt. Ist es nicht ziemlich ungewöhnlich für einen Jagdherrn, die Spur des zweiten aufzunehmen? Ist es nicht» – auf Harkins’ Gesicht war plötzlich ein Lächeln zu sehen, das er wie eine Freikarte vorzeigte – «unhöflich. Sie müssen das doch am besten wissen.» Er entfernte eine Fluse von seiner seidenen Socke. «Und der zweite Fuchs hat Sie dann unverzüglich zu jener Stelle geführt.»
    Das Gesicht des Colonels wurde puterrot. Er erhob sich aus seinem Stuhl, setzte sich aber wieder und sagte: «Wollen Sie damit sagen, Inspektor Harkins, daß ich gewußt habe, daß Olive Mannings Leiche auf der Mauer liegen würde?»
    «Der Gedanke ist mir durch den Kopf geschossen.»
    In der darauffolgenden Stille machte sich Wiggins daran, eine frische Packung

Weitere Kostenlose Bücher