Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
bevor es jemand merkte, noch bevor Wiggins schreien konnte: «Mein Gott! Sie kommen da nicht hinunter!»
    Die Leute, die sich oben auf den Klippen versammelt hatten, protestierten lauthals, unter ihnen auch Harkins und Melrose Plant, die beide in ihrer jeweiligen Ausdrucksweise Jury zuriefen: «Kommen Sie zurück, Sie verdammter Idiot!»
    Aber nur Berties Aufschrei erwies sich als wirkungsvoll: «Hol ihn, Arnold, schnell!»
    Noch bevor Jury einen Zentimeter weitergehen konnte, fühlte er, wie der Terrier ihn am Unterarm packte. Und das gab Plant, Harkins und Wiggins gerade genug Zeit, ihn wieder über den Rand der Klippen zu ziehen.
    «Bitte Richard, keine Heldentaten, die Ihnen das Genick brechen.» Harkins warf Jury den Mantel über die Schultern.
    «Darum ging’s nicht …», sagte Jury, strich sich die Haare aus der Stirn und schaute benommen über den Klippenrand. Er sah gerade noch, wie die letzte Welle über Lilys Kopf schwappte und wie sie ihre weißen Arme gegen das winterlich dunkle Wasser ausstreckte.
    Es sah aus, als hätte sie noch einmal zum Abschied gewinkt.

9
    Sie verabschiedeten sich von Bertie.
    «Der Château de Meechem war heute abend besonders gut, Copperfield», sagte Melrose, während er ein unglaublich hohes Trinkgeld in Berties Tasche schob. «Und auch das Essen war ausgezeichnet, obwohl der versprochene Räucherlachs mal wieder durch seine Abwesenheit glänzte.»
    Bertie ließ sein Handtuch, das er zum Abwischen der Tische benutzte, knallen und legte es sich über den Arm. «Is wohl nich die Saison, nehm ich an.»
    «Bertie», sagte Jury. «Ich hab so eine Ahnung, daß deine Mutter noch für einige Zeit in Nordirland bleiben wird. Auf jeden Fall wirst du bald von ihr hören. Wie auch Miss Cavendish. Wenn also eine von ihnen – Froschauge, Stockfisch oder wer auch immer – dir mit ihren Fragen lästig wird, sag ihnen nur, daß für sie bald was im Briefkasten liegen wird. Und wenn auch das sie nicht zufriedenstellt, sollen sie mich anrufen.» Er steckte eine Visitenkarte mit der Nummer von Scotland Yard in dieselbe Tasche, in die Melrose vorher das Geld geschoben hatte.
    Berties Augen strahlten und schielten abwechselnd. «Woher wissen Sie …» Dann besann er sich anscheinend eines Besseren und fing an, Arnolds Kopf zu kraulen.
    «Mach dir keine Sorgen», sagte Jury und streckte ihm seine Hand hin. «Auf Wiedersehen, Bertie.»
    Bertie schüttelte die Hand. «Bleiben Sie denn nicht noch über Nacht, Sir?»
    «Nein, ich nehme in York den Nachtzug. Aber ruf mich mal an, ja? Damit ich weiß, was hier so passiert.» Jury zwinkerte mit den Augen.
    «Darauf können Sie sich verlassen, Sir. Gib die Hand, Arnold. Hast du denn keine Manieren?»
    Arnold hielt die Pfote hoch.
    «Auf Wiedersehen, Bertie», sagte Melrose Plant. «Ich wünsche dir, daß du nie dreizehn wirst.»
    Draußen spazierten Jury und Plant die Mole entlang, um noch einen letzten Blick auf das Dorf zu werfen.
    «Ich glaube nicht, daß es das Geld war», sagte Jury. «Ich glaube nicht, daß sie das Geld wollte oder die Privilegien, die mit dem Namen Crael verbunden sind. Ich glaube, sie wollte einfach zur Familie gehören.» Plant sagte nichts, und Jury wandte sich um und starrte auf die dunklen Wellen, die heranrollten. «Manchmal denke ich, ich habe den falschen Beruf. Nun soll ich auch noch zum Superintendent befördert werden. Es kommt mir so vor, als solle ich Recht sprechen. Wie soll man das bloß tun? Zum Beispiel im Fall von Julian Crael oder Lily, die genauso Opfer sind wie wir auch … dennoch soll sie völlig kaltblütig zu Werke gegangen sein?» Er schaute auf die See hinaus, als könnte sie Lily zurückbringen. «Es ist nicht meine Sache, das zu entscheiden, nicht wahr? Meine Aufgabe ist lediglich, solche Leute zu verhaften und sie der Justiz zu übergeben. Nur manchmal gelingt mir das einfach nicht. Ich frage mich, was das ist – Gerechtigkeit.» Er schwieg eine Weile und sah auf die See hinaus. «Ich frage mich auch, was es heißen wird, Superintendent zu sein.»
    Plant zündete sich eine Zigarette an. «Es ist kühl.»
    Sie kehrten der See den Rücken zu und gingen zurück in die Nebel von Rackmoor.

Weitere Kostenlose Bücher