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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Dillys nach London weggelaufen sei. Da fand man auch ihren Wagen. Warum haben Sie also nicht angenommen, daß diese junge Dame, ihre Doppelgängerin, tatsächlich Dillys war ? Doch nur weil Sie wußten, daß sie tot ist.»
    «Mein Gott», sagte Julian kaum hörbar und schloß wieder die Augen.
    Jury nahm Julians Glas, goß ihm noch einen Whisky mit Soda ein und hielt es ihm hin. Einen Augenblick lang stand er über ihm. «Erzählen Sie.» Abwesend nahm Julian Drink und Zigarette entgegen und sagte dann: «Als wir jünger waren, haben Dillys und ich einen Pakt geschlossen, daß wir keine Geheimnisse voreinander haben würden. Wir haben ihn sogar mit Blut besiegelt, indem wir uns in die Finger schnitten – das war Dillys’ Idee; sie hatte eine Vorliebe für dramatische Dinge. Sie wollte, daß wir unser Blut mischen. Ich bin beinahe in Ohnmacht gefallen. Wörtlich. Ich kann kein Blut sehen, und Dillys fand das furchtbar komisch … Aber ich nehme an, daß Sie das alles gar nicht hören wollen –»
    «Doch, erzählen Sie weiter.»
    Er lehnte sich zurück, seine Finger umschlossen das Glas, als wäre es ein Gesangbuch, das er an seine Brust drückte. «Dillys war auf Lily eifersüchtig, das war ganz offensichtlich; nur wäre sie eher gestorben, als daß sie das zugegeben hätte. Der Colonel hatte Lily sehr gern, und Lily war eigentlich auch hübscher als Dillys. Aber Dillys war ‹jenseits› von hübsch, wenn Sie verstehen, was ich meine. In dieser Hinsicht war sie wie meine Mutter. Sie hatten beide ein – inneres Feuer, ja, so könnte man es wohl nennen. Aber dieses Feuer war nicht immer so wunderbar. Manchmal war es auch das reinste Höllenfeuer. Mama konnte furchtbar wütend werden. Dann warf sie mit Dingen um sich and kreischte wie ein Fischweib. Armer Vater, dachte ich dann. Andererseits war es irgendwie aufregend …
    Dillys war klug und sehr überzeugend – sie konnte einem alles einreden. Die Geschichte, daß Mary Siddons den Schmuck, diesen Ring oder was es auch war, gestohlen hat, war eine glatte Lüge. Mary hätte so etwas nie getan. Wenn etwas gestohlen wurde, dann hat es Dillys getan, glauben Sie mir. Die Geschichte mit Leo Manning brachte dann das Faß zum Überlaufen. Der arme Kerl war ziemlich hinüber. Olive hat entweder gelogen oder sich selbst etwas vorgemacht, als sie behauptete, Dillys sei für seinen Zusammenbruch verantwortlich. Dillys war durchaus imstande, jemand an den Rand des Wahnsinns zu treiben, und daß sie keine Wohltat für ihn war, steht außer Zweifel. Aber Leo war schon in einem schlimmen Zustand, als er hierherkam. Manchmal kam er mir vor wie ein schmeichlerischer Heuchler, ein moderner Uriah Heep; dann wieder sah ich sein Lächeln und dachte, daß es so scharf wie eine Rasierklinge sei. Er erinnerte mich an eine Figur aus einem Stück, an einen Mann, der mit seinem Kopf in der Hutschachtel herumspaziert. Das war genau der seelische Zustand, den Dillys als eine Herausforderung begriff, sie konnte ihn formen wie ein Bildhauer Lehm, ihn einmal in die eine und dann wieder in die andere Richtung biegen. Nun, die beiden hatten ein Verhältnis. Es gab ein Sommerhaus in der Nähe der Klippen, wo sie sich trafen … da waren sie auch in jener Nacht.
    Ich machte einen Spaziergang. Nein, ich habe Dillys gesucht.
    Ich sah ein schwaches Licht im Sommerhaus und ging ein Stück weiter auf dem Pfad zwischen den Klippen und spähte durch das Fenster. Und da stand sie, vollkommen nackt. In dem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Zuerst dachte ich, sie spielte nur mit ihm; ich dachte nicht, daß sie wirklich … Sie können sich nicht vorstellen, was ich in diesem Moment empfand. Der Ausdruck, jemand ‹sieht rot›, trifft es genau. Es kam mir so vor, als stünde ich da und sähe durch eine Fensterscheibe aus Blut. Ich stand da und habe in der Kälte gewartet; wie lange, weiß ich nicht mehr. Ich werde nie das Geräusch des Windes vergessen, der von der See kam und die Äste wie Säbel klirren ließ. Ich spürte, wie eine Welle des Hasses über mir zusammenschlug, aber sie war nicht kalt, sondern ganz warm und weich.
    Schließlich kam sie aus dem Haus und nahm den Pfad zum Haus zurück. Ich höre noch heute ihre Schritte auf dem Kies und wie sie irgendein blödes Lied summt, als wäre nichts geschehen, während für mich eine Welt zusammengebrochen war. Ich versperrte ihr den Weg und fing an, sie anzuschreien. Dillys hat nur gelacht.
    ‹Wie lange geht das schon mit euch›, fragte

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