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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ich sie.
    ‹Das geht dich zwar nichts an – aber ungefähr seit Leo hier ist.›
    ‹Dann wird er nicht sehr lange mehr hierbleiben. Zumindest nicht, wenn ich es Vater sage. Und du auch nicht. Das wird er nicht dulden.›
    Darüber hat sie erst recht gelacht. ‹Dann erzähle es, wie ein petzender Schuljunge. Aber mir wird er eher glauben als dir. Ich werde ihm sagen, daß Leo versucht hat, sich an mich ranzumachen. Was auch stimmt. Auf dem Gebiet ist er ziemlich erfahren.›
    Dann hat sie mir bis in alle Einzelheiten geschildert, was sie bei ihren Treffen im Laufe des Jahres alles getrieben hatten. Ich war gelähmt vor Wut. Das Ironische war, daß sie diesen knöchellangen Mantel und einen Hut trug und eher wie eine Nonne aussah. Ich nahm den nächstbesten Stein und zerschmetterte ihr damit den Schädel. Sie fiel zu Boden. Ich stand da und starrte eine Ewigkeit auf sie herab. Ich glaube, ich wartete darauf, daß sie einfach wieder aufstehen, sich den Staub abklopfen und lachen würde. Heute denke ich, mir war die Tatsache, daß sie tot dalag, gar nicht richtig bewußt.»
    Julian saß nach vorne gebeugt und fixierte Jury, als würde er gerade einen sehr komplexen juristischen Sachverhalt erklären. «Ich wußte, ich mußte sie wegschaffen – nicht, weil ich Angst hatte – die kam später. Nein, ich mußte sie aus meinem Leben und aus meinen Gedanken entfernen, das Geschehene auslöschen. Ich wollte sie vor allem vor mir verstecken und nicht vor den anderen, auch nicht vor der Polizei. In dem Augenblick habe ich nicht einmal an die Polizei gedacht.
    Unterhalb von dem Pfad gibt es zwischen den Felsen eine Stelle mit einer teuflischen Strömung. Sie ist so gefährlich, daß sich nicht einmal ein Taucher dort hinunter wagt. Sie würde dort einfach verschwinden, und der Körper würde nie gefunden werden. Ich stand genau darüber. Ich brauchte sie nur hinunterzurollen …
    Ich lief zum Haus zurück, ging auf ihr Zimmer, packte ein paar Sachen von ihr in einen Koffer und warf mir dann eines ihrer Lieblingscapes um. Es war kaum etwas von mir zu sehen. Als Olive zum Fenster hinaussah, dachte sie natürlich, es sei Dillys, die in ihr Auto stieg. Ich fuhr den Wagen zum Parkplatz, der oberhalb von Rackmoor liegt, und stellte ihn dort ab; er war dort einer von vielen. Dann ging ich zurück. Niemand hat mich gesehen, niemand hat mich vermißt.» Er sagte das, als werde ihn nie mehr jemand vermissen. «Am nächsten Morgen herrschte natürlich Aufregung, weil Dillys abgehauen war, andererseits tat sie das öfter. Ich sagte, ich würde den Tag über nach York fahren. Ich nahm mein Auto und fuhr zum Parkplatz. Dort stieg ich in Dillys’ Wagen, fuhr damit nach London und ließ ihn einfach stehen. Dann nahm ich den Zug zurück nach York und von dort den Bus nach Pitlochary und ging am selben Abend zu Fuß nach Rackmoor, um meinen Wagen zu holen.» Er sah Jury an. «Glauben Sie mir, ich weiß, wie das klingt. Sehr kaltblütig und bis ins letzte Detail geplant: der Umhang, das Auto, die Fahrt nach London – aber zu dem Zeitpunkt war es nicht so. Es war der reinste Irrsinn; ein Gefühl, als wäre alles vom Zufall gesteuert, sofern man überhaupt von einem Gefühl sprechen kann. Ich hätte mich auch unter Wasser bewegen können, alles war schwer wie Blei. Nur Teile meines Gehirns funktionierten noch. Das übrige fühlte sich wie … eingeschlafen an. Danach war ich eine Woche lang krank, ich meine buchstäblich krank. Als würde sich alles in mir sträuben gegen das, was passiert war; wie der Organismus nach einer Herztransplantation. Ich habe es einfach abgestoßen. Diese Nacht war etwas, was es nicht geben durfte, wie ein Baum, der plötzlich über den Weg fällt, auf dem man geht, wie – oh, mein Gott, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.»
    Jury stand wieder auf, nahm sein leeres Glas und goß sich ein. «Sie haben das schon ganz gut hingekriegt, würde ich sagen.» Er zündete sich eine Zigarette an und setzte sich wieder hin. «Und nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, mußte der Verdacht natürlich auf Leo fallen – fehlte nur die Leiche.»
    «Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Sie fragen sich wohl, ob ich schweigend zugelassen hätte, daß sie ihn dafür aufknöpften, falls es dazu gekommen wäre?»
    «Ich frage mich nicht viel.»
    «Das würde ich Ihnen gern glauben.»
    «Zurück zu Gemma.»
    «Die ich nicht getötet habe.»
    «Dafür hatten Sie allerdings ein handfestes Motiv. Sie wußte von Dillys,

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