Inspektor Jury spielt Domino
aus dem Zimmer rannte.
10
Die graugestreifte Katze saß verschlafen im Galeriefenster. Sie war es offenbar inzwischen gewohnt, in ihrem Schlaf gestört zu werden, denn als Jury die Hände an das Gesicht hielt und durchs Fenster spähte, rührte sie sich überhaupt nicht, sondern drehte sich nur traumwandlerisch auf die andere Seite. Es war niemand da – die Geschäfte schienen im Winter nicht gerade gut zu gehen. Drinnen war es dunkel, da aber das OFFEN-Schild im Fenster hing, nahm Jury an, daß Rees im Haus war, und machte die Tür auf. Die Türglocke klingelte, die Katze rekelte sich, drehte sich mehrmals im Kreis und kehrte dann in ihre ursprüngliche Schlafposition zurück.
Jury rief: «Hallo, ist jemand da?» und hörte daraufhin Stiefel die Hintertreppe herunterpoltern. Adrian erschien in seinem farbenverschmierten Kittel. Das schwarze Haar, das ihm in die Stirn fiel, sah ein wenig verfilzt aus, als hätte er so intensiv gearbeitet, daß er ins Schwitzen geraten war. Er strich sich die Haare mit dem Arm zurück, denn er hielt noch immer seinen Kamelhaarpinsel in der Hand.
«Ah, Inspektor Jury. Dachte ich mir doch, daß Sie noch mal vorbeischauen würden. Wollen wir nach hinten in die Küche gehen?»
Da in der Küche kein Platz für zwei nebeneinanderstehende Personen war, setzte sich Jury an einen Klapptisch, während Adrian das Fenster öffnete und zwei Flaschen kaltes Bier hereinholte.
«Ich möchte keins, danke –»
Adrian stellte eine Flasche zurück in das schmutzige Schneehäufchen. «Ich nehme an, Sie sind wegen Olive Manning gekommen. Inspektor Harkins hat mich beinahe davon überzeugt, daß ich sie getötet habe.» Adrian bedachte Jury mit einem kurzen Lächeln. «Aber eben nicht ganz.»
«Sie sind heute morgen der Jagd gefolgt. Warum? Ich habe gehört, Sie verabscheuen die Jagd.»
«So, so. Sie sind ja bestens über meine Vorlieben und Abneigungen informiert. Wer hat Ihnen das gesagt?»
«Ein kleines Vögelchen.»
Adrian öffnete seine Flasche, setzte sich, kippte mit dem Stuhl nach hinten und nahm einen tüchtigen Schluck. Er wischte sich den Mund ab und sagte: «Das ist wahr. Die Fuchsjagd ist meiner Ansicht nach eine der dümmsten Sportarten, die es gibt. Eigentlich hat es überhaupt nichts mit Sport zu tun.»
«Warum sind Sie dann heute morgen draußen gewesen?»
«Weil der Colonel ein Bild haben wollte. Ein großes Gemälde von der Pitlochary-Jagd, für die Halle. Ich war lediglich Beobachter.»
«Maud Brixenham sagt, Sie hätten sie am Momsby Cross getroffen. Danach sind Sie in Richtung Cold Asby weitergegangen.»
«Ach, das ist also Ihr kleines Vögelchen. Maud ist nicht gerade eine Freundin von mir.»
«Davon habe ich nichts gemerkt. Sie hat nichts Schlechtes über Sie verlauten lassen.»
Adrian brachte seinen Stuhl geräuschvoll nach vorne und brummte: «Na, hören Sie, Inspektor. Dafür ist sie zu klug. Ein Frontalangriff ist nicht Mauds Art.»
«Was könnte sie denn gegen Sie haben?»
«Ich glaube, daß sie auf jeden eifersüchtig ist, der beim Colonel ein Stein im Brett hat. Er mag mich; er bewundert mich sogar –» Adrian lächelte, neigte seinen Kopf nach vorne und klopfte die Asche von der Zigarre.
«Ich verstehe nicht, warum Sie das so erstaunt. Sie sind ein ausgezeichneter Maler, soweit ich das beurteilen kann. Befanden Sie sich irgendwo in der Nähe der Mauer?»
«Ich weiß es nicht genau. Ich kenne mich nicht so gut aus im Moor, jedenfalls nicht so gut wie die, die der Jagd gefolgt sind.»
Jury holte eine Generalstabskarte hervor, breitete sie auf dem Tisch aus und zeigte auf Momsby Cross. «Sie und Maud befanden sich hier.» Jury fuhr mit dem Finger über die Karte – Dane Hole, Cold Asby und Momsby Cross. «Die Leiche wurde hier gefunden. Das ist ungefähr eine viertel Meile von Momsby Cross entfernt.»
Adrian nahm die Karte in die Hand und warf einen kurzen Blick auf die verschiedenen Linien, Punkte und Schattierungen. Er schüttelte den Kopf. «Vielleicht diese Hügel da … an denen könnte ich vorbeigegangen sein. Aber die scheinen nicht in der Nähe der Mauer zu liegen.»
Jury faltete die Karte zusammen und steckte sie wieder in die Tasche. «Und dann sind Sie ins Dorf zurückgegangen?»
«Ja. Ich habe von alldem erst erfahren, als Inspektor Harkins vor ein paar Stunden an meine Tür klopfte.»
«Was das Gemälde betrifft – wenn Sie so gegen die Jagd sind, warum haben Sie dann den Auftrag angenommen?»
«Wollen Sie mir etwas über Kunst und
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