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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Moral erzählen? Inspektor, ich würde jeden Auftrag annehmen. Ich habe da keinerlei Skrupel. Wenn Scotland Yard mich beauftragen würde, Phantombilder zu malen, dann würde ich das auch tun, glauben Sie mir. Und da wir schon davon sprechen –» Adrian knarrte mit seinem Stuhl, schob sich eine Zigarre zwischen die Lippen und stand auf. «Kommen Sie doch mal mit nach oben.»
    Adrian enthüllte das Gemälde, das in einer Ecke seines Ateliers stand. Es war das Bild, an dem er gerade gearbeitet hatte. «Es ist natürlich nach dem Gedächtnis gemalt, aber ziemlich detailgetreu, glaube ich. Gefällt es Ihnen?»
    Jury war verblüfft. Die Frau auf dem Bild schien eher in die Dunkelheit und den Nebel gehüllt zu sein als in den schwarzen Umhang, der sie umwehte. Ihre Haltung war so starr, als hätte sie ihm Modell gestanden. Jury nahm an, daß sie nicht gerade so ausgesehen hatte, als Adrian ihr in der Nacht zum Dreikönigsfest begegnet war. Die Gestalt war sehr langgliedrig; Hals und Hände schimmerten bläßlich, und das Gesicht mit der schwarzen Maske wirkte richtig erschreckend: die linke Gesichtshälfte leuchtete gespenstisch, die rechte hingegen war völlig schwarz und verschmolz beinahe mit dem dunklen Hintergrund. Das Licht – das Spiel zwischen Hell und Dunkel – war meisterhaft wiedergegeben. Der Nebel lag wie eine silbrige Aureole um die Straßenlampen. Auf seine Art war dieses Bild ebenso eindrucksvoll wie das von Lady Margaret.
    Das Bild war nicht sehr groß. Jury streckte die Hand aus, um es hochzunehmen, und sagte: «Darf ich?»
    «Natürlich.»
    Er ging damit zur Lampe und betrachtete es eingehend. «Es ist bemerkenswert. Ich wünschte nur, Sie wären schneller damit fertig geworden. Haben Sie es Harkins gezeigt?»
    Adrian ging gerade einen Topf mit Pinseln durch. Er schmiß sie auf den Boden und drehte sich um. «Großer Gott, was für Banausen ihr seid! Ihr denkt doch nur an Mord und Totschlag.»
    «Ganz recht. Ich verbringe einen Großteil meiner Zeit damit. Ist das die Engelsstiege im Hintergrund?»
    Adrian, der seine Pinsel säuberte, nickte.
    «Verdammt, wenn es dem entspricht, was Sie gesehen haben, ist das hundertmal besser als ein Phantombild.»
    «Sie vergessen, daß ich Maler bin. Genau zu beobachten gehört zu meinem Beruf.»
    Unten läutete es an der Tür. Erstaunt spähte Adrian hinunter. «Bestimmt kein Kunde. Ich hab ganz vergessen, wie sie aussehen. Und Sie können es auch nicht sein, da Sie ja schon hier sind. Jemand muß sich im Nebel verirrt haben.»
    «Sehen Sie doch einfach mal nach.»
    Adrian machte Anstalten, seine Haare in Ordnung zu bringen, und ging hinunter.
    Jury hörte gedämpfte Stimmen von unten; er war noch immer in das Bild versunken. Er runzelte die Stirn.
    Etwas stimmte nicht. Ein dunkles, verschwommenes Bild tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Er sah ein Gesicht in einer Welle, eine Spiegelung in einem Schwimmbecken. Und plötzlich sah er auch sich selbst, wie er im «Fuchs» vor dem Spiegel stand …
    «Mr. Jury», schrie Adrian die Treppe hoch. «Kommen Sie runter, Sie haben Besuch.»
    Behutsam stellte er die Leinwand auf die Staffelei zurück. Das Gesicht, die Spiegelung, war wieder verschwunden. Aber etwas stimmte nach wie vor nicht.
     
    Mit Percy Blythe hatte er überhaupt nicht gerechnet: Er steckte in einem schweren Mantel, mehreren Pullovern und hatte sich fast bis zur Nasenspitze in Schals gewickelt. Krampfhaft hielt er seine Strickmütze fest und beäugte verstohlen die Bilder an den Wänden.
    «Hallo, Percy. Sie wollen mich sprechen.»
    «Ja, will ich.» Er warf Adrian Rees einen finsteren Blick zu. «Allein.»
    Adrian entschuldigte sich ausgesucht höflich. Als seine Schritte nicht mehr zu hören waren und Percy Blythe sich vergewissert hatte, daß er selbst auch außer Hörweite war, sagte er: «Es ist wegen Bertie. Der Bengel ist bei mir gewesen und hat was gestohlen.»
    « Bertie? Das kann nicht sein –»
    «Hab’s mit eigenen Augen gesehen.» Er zeigte auf seine Augen, um Jury zu beweisen, daß er zwei davon hatte. «Ich kam gerade die Dagger Alley hoch, als ich ihn und Arnold bei mir rausgehen sah. Hab mich versteckt.»
    «Vielleicht wollten sie Sie nur besuchen, Percy? Und sind einfach reingegangen –» Jury unterbrach sich, als er Percys Kopfschütteln sah.
    «Gegen das Reingehen hab ich nix, aber gegen das Rausgehen. Und wie verschlagen die beiden aussahen, wie zwei Aale schlichen sie sich davon –»
    (Bei der Vorstellung von Arnold als einem

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