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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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oder etwas, was sich einen Weg durch das Unterholz bahnte. In der Dunkelheit und dem Nebel nahmen aber selbst die Bäume menschliche Formen an, und es war schwer zu sagen, ob dieses Etwas nun ein Mensch war.
    Arnold ließ wieder ein tiefes Knurren hören. Im Gebüsch raschelte es; es klang, wie wenn der Wind durch einen Korridor fuhr. Arnold hatte richtig zu bellen angefangen, und Bertie liefen kalte Schauer über den Rücken, als wäre er in einem Tunnel eingesperrt und der Zug käme geradewegs auf ihn zu. Plötzlich fiel ein Lichtstrahl auf sein Gesicht; geblendet von dem Zyklopenauge der Taschenlampe, schloß er die Augen. Noch bevor Bertie seinen Arm hochreißen konnte, hatte ihm eine Hand die Brille von der Nase geschlagen.
    Arnold bellte wütend. Bertie, der nur noch seine Umrisse erkennen konnte, raste auf die verschwommene Gestalt zu, die seine Brille auf den Boden geschmissen hatte und jetzt versuchte, ihm seinen Regenmantel vom Leib zu zerren. Jemand hatte es auf den Schwalbenschwanz abgesehen, da war er sicher.
    Bertie hörte ein Rascheln und Trippeln und Arnolds beinahe hysterisches Bellen. Es glich dem Geräusch zweier Hunde, die sich gegenseitig an die Gurgel wollten. Nur war von dem einen Hund außer dem schweren Atem kein Geräusch, keine Stimme zu hören. Er hatte Angst, sich ohne seine Brille zu bewegen. Ohne sie konnte er nichts sehen; er wußte aber, daß er in der Nähe der Klippenkante stand, denn unter sich hörte er das Tosen der Wellen.
    Wie nahe er daran gestanden hatte, bemerkte er erst, als ihn zwei Hände hinunterstießen.
     
    Es ist ein Werkzeug, das beim Decken von Strohdächern benutzt wird, teilte Percy Blythe Jury mit, als sie in seinem Haus angelangt waren. Er wies auf die Wand, an der die anderen beschilderten Werkzeuge hingen. Der Schwalbenschwanz fehlte.
    «Wenn er reingeht, um irgendwelchen Kram zu holen, dagegen hab ich nix. Warum haben Bertie und Arnold aber gerade das genommen?» Er beschrieb es als einen ungefähr vierzig Zentimeter langen Gegenstand mit Zinken, die nach Belieben geschärft werden konnten.
    Jury fragte ihn, wer davon wüßte, und er sagte jeder, sogar die Craels. «Die war’n hier. Der Alte wollte von mir einen Fuchsbau zugestopft oder Hecken angepflanzt haben. Und der Junge war auch schon hier, ein- oder zweimal.» Nein, er schließe nie seine Tür ab, und die Dark Street sei um diese Jahreszeit leer. Jeder hätte hereinspazieren können.
    Obwohl es in dem Häuschen warm war und er zwei Pullover und eine Windjacke anhatte, spürte Jury, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken herunterlief. Bertie lief mit einem Gerät herum, das sehr wahrscheinlich die Mordwaffe war.
     
    Der Sturz konnte ein paar Sekunden oder ein paar Stunden zurückliegen; er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Seine Hände hatten in der Felswand etwas gefunden, das einem dicken Stumpf glich – er konnte ihn nicht sehen, vielleicht war es eine alte Baumwurzel. Jedenfalls war er fest genug, um sich ranzuhängen. Das Schwierige war nur, daß er keinen Halt für seine Füße fand, eine Ritze, in der er sich abstützen konnte. Er hing genau über einem Felsvorsprung, und seine Füße fuhren nur über Flechten und dann – ins Leere. Obwohl er nur kurze Zeit so gehangen hatte, waren seine Arme bereits müde. Die Augen hielt er fest zusammengepreßt; er konnte ja sowieso nichts sehen. Er dachte, seine Arme würden gleich aus den Gelenken springen. In seinen Ohren sauste es so laut, daß er nicht einmal mehr die Wellen hörte. Er fing an zu beten: «Heilige Maria Mutter Gottes …»
    An mehr konnte er sich nicht erinnern, die Fortsetzung war ihm entglitten wie das Stück Schiefer, das den gottverlassenen Felsen herunterglitt. Er hörte ein scharrendes Geräusch, das langsam näher kam, und ein schweres Atmen. Er spürte plötzlich den vertrauten Geruch von nassem Hundefell. Er drückte sein Gesicht gegen die Felswand und weinte. Wenigstens hatte man aus Arnold nicht auch ein Sieb gemacht. Wie durch ein Wunder spürte er im gleichen Moment etwas unter seinen Füßen. Er wurde ein klein wenig emporgehoben, genug, um seine Arme von dem entsetzlichen Gewicht zu befreien. Es bewegte sich unter ihm, und mit der Entlastung seiner Arme hörte auch das Sausen in seinen Ohren auf, und er vernahm Arnolds Keuchen – Arnold, der all die kleinen schmalen Felspfade kannte und sich wie eine Bergziege auf ihnen bewegte. Unter ihm mußte ein kleiner Vorsprung sein, gerade breit genug für Arnold, und

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