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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Les.»
    Ein Mordfall kann aufregend, aber auch nervend sein; Jury bemerkte jedenfalls, daß Les’ Stimme umzuschlagen drohte. «Okay, fragen Sie.» Les nahm auf dem Sofa neben seiner Tante Platz; er setzte sich ganz auf die Kante, beugte sich etwas vor, legte den einen Arm auf den Schenkel in den strammsitzenden Bluejeans, winkelte den andern an und stemmte die Hand in die Hüfte. «Schießen Sie los!»
    Das hätte auch wörtlich gemeint sein können. Heftige Kaubewegungen.
    «Es dreht sich um die Frau, die hier ermordet wurde. Bist du ihr auch mal über den Weg gelaufen?»
    «Oh, jahhh. Eine scharfe Braut war das, Mann.» Er lächelte, und seine Augenbrauen schoben sich über den Brillenrand.
    «Hast du versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen?»
    «Was?» Sein ausdrucksloser Blick wurde richtig bohrend.
    «Hast du mit ihr gesprochen, Les?»
    «Hmmm.»
    «Aber du hast sie gesehen», sagte Jury.
    «Mal hier, mal da.»
    «Auch an dem Abend, an dem sie ermordet wurde?»
    «Nein.» – «Ja.»
    Sie sagten das beide gleichzeitig, Les Aird und Maud Brixenham. Maud machte einen höchst erstaunten Eindruck.
    «Ich hab sie aber gesehen, Tante Maud.»
    «Davon hast du mir aber nichts erzählt!»
    Les zuckte die Achseln. «Ich wußte es nur nicht.»
    «Und Inspektor Harkins gegenüber hast du auch nichts verlauten lassen, Les.»
    «Weil ich es nicht wußte – ich meine, daß sie das war. Er hat nur gesagt, daß diese Frau abgemurkst worden sei. Nichts darüber, wie sie aussah. Woher hätte ich denn wissen sollen, daß sie diese Frau war, die ich gesehen habe. Wir kamen von dem Fest. Es muß so gegen halb elf oder Viertel vor elf gewesen sein. Da so viele in Kostümen herumrannten, dachte ich, sie sei auch eine von denen, die zum Herrenhaus hochwollten. Ich fand’s ja ziemlich blöd, dieses Fest. Aber sie haben tüchtig was aufgefahren. Das Essen war nicht zu verachten. Als ich aber die ganzen Osterhasen rumhüpfen sah, hat’s mir gereicht.»
    Jury blinzelte. «Osterhasen?»
    «Ein halbes Dutzend Hasen rannte da herum. Total bescheuert.»
    Maud erklärte. «Drei Leute aus dem Dorf haben sich als Flopsy, Mopsy und Cottontail verkleidet.»
    «Auf welchem Weg bist du ins Dorf zurückgegangen?»
    «Auf dem, der an der Kirche und der Psalter Lane vorbeiführt.»
    «Und anschließend, wie bist du da gegangen?»
    «Ich bin bis zur Scroop Street die Engelsstiege runtergegangen. Arn war auch unterwegs. Wir sind also gemeinsam die Scroop Street runtergezittert. Scroop Street, Dagger Alley, High Street. Das war vielleicht komisch, Mann, als dieses Gesicht urplötzlich aus dem Nebel auftauchte. Der Ball der Vampire. Die eine Gesichtshälfte war weiß, die andere schwarz –» Er zog eine unsichtbare Linie von der Stirn bis zur Nasenspitze und bedeckte die linke Gesichtshälfte. «Sogar Arn fing an zu bellen. Und das will was heißen.»
    «Das war auf der High Street?»
    «Ja. Ich dachte, sie sei vielleicht aus der ‹Glocke› gekommen.»
    «Und wohin ist sie gegangen? Die Dagger Alley hoch?»
    «Kann ich nicht sagen, Mann. Entweder das oder die High runter.»
    «Das war gegen halb elf?»
    «Ja, so um den Dreh.»
    «Vom Old House bis zur High Street hast du also eine halbe Stunde gebraucht?»
    Les nickte unbehaglich. «Ja. Ich bin eine Straße zu weit gegangen und mußte wieder zurück.»
    Jury hakte nicht weiter nach; wahrscheinlich hatte Les unterwegs eine Zigarettenpause eingelegt; er bezweifelte, daß etwas von Bedeutung dahintersteckte. Was aber diese Temple betraf, so fragte er sich doch, was sie in der Zwischenzeit getrieben hatte.
    «Du hast sie gegen halb elf gesehen. Und Adrian Rees sah sie Viertel nach elf, kurz bevor der ‹Fuchs› zumachte. Wo war sie in der Zwischenzeit?» Die Frage war weniger an Les als an sich selbst gerichtet, aber Les sagte: «Keine Ahnung, Mann. Ich bin weitergezogen. Zu dem Strawberry-Wohnsilo. Um meiner Freundin einen Besuch abzustatten.»
    «Wer wohnt in diesem Viertel, Wiggins? Schauen wir doch mal auf dem Plan nach.» Adrian Rees natürlich. Ein sicherer Tip.
    Wiggins zog die Karte des Dorfs hervor, die Harkins ihnen zur Verfügung gestellt hatte, und entfaltete sie. «Da ist mal Percy Blythe. Er wohnt in der Dark Street. Gegenüber von der Leihbücherei wohnen die Steeds; sie ist am Ende der Scroop Street. Die meisten Häuser stehen um diese Jahreszeit leer.»
    Jury beugte sich über den Plan. Noch nie in seinem Leben hatte er ein so dichtes Netz von Straßen und Gäßchen gesehen. Nein,

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