Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Gemma Temple ist auf dem Fest nie aufgetaucht.» Ihr Blick wanderte von Jury zu Wiggins, als hätte sie eine Eingebung gehabt. «Ich dachte eben, die Umstände waren im Grunde denkbar günstig, jemanden um die Ecke zu bringen. Das ganze Dorf war im Old House, abgesehen von den Stammgästen des ‹Alten Fuchs› und der ‹Glocke›. Und die würden keine zehn Pferde da rauskriegen.»
    «Welchen Weg nahmen Sie und Miss Siddons – und Les, richtig? –, als Sie sie nach Hause begleiteten?»
    «Wir – Lily und ich. Les ging durch den Wald, soviel ich mich erinnere. Jedenfalls kamen wir an der Kaimauer vorbei. Ist zwar ein bißchen länger, aber der andere Weg, der, den Les gegangen ist, ist so dunkel und unheimlich …» Sie erschauerte und griff nach ihrem Glas.
    «Sie waren also nicht in der Nähe der Engelsstiege?»
    «Nein.»
    «Und sind Sie unterwegs jemandem begegnet?»
    «Nein.»
    Sie schwiegen und musterten sich kühl; Maud leerte ihr Glas mit dem wasserklaren Sherry.
    «Sie haben aber im ‹Alten Fuchs› mit Miss Temple gesprochen?»
    «Ja, ich verbringe eigentlich ziemlich viel Zeit im ‹Fuchs›. Viele schwere Stunden, wenn ich nichts zu Papier bringe, wenn ich nicht inspiriert bin. Ich nehme auch ganz gern die Atmosphäre dort auf. Wenn ich doch nur Krimiautorin wäre. Aus dieser Geschichte ließe sich was machen.»
    Wiggins blickte von seinem Notizbuch hoch und fragte erstaunt: «Sie sind Schriftstellerin, Miss?» Er blickte sich in dem Raum um, als wäre er in Merlins Zauberhöhle. «Was schreiben Sie denn?»
    «Oh, den üblichen Schund: die Fleischtöpfe Europas, Frauenhandel, Seifenopern – schwache Charaktere, aber um so stärkere Ausdrücke. Rosalind van Renseleer, das ist mein Pseudonym.»
    «Ich hab schon von Ihnen gehört – Sie nicht, Sir?» fragte Wiggins.
    Jury war der Name neu, aber er nickte lächelnd. «Über was haben Sie sich denn mit Miss Temple unterhalten?»
    «Es war nichts von Bedeutung. Sie sah nicht aus wie eine von hier, soviel steht fest. Sie trug einen Webpelz, der ihr beinahe bis zu den Knöcheln reichte. Carnaby Street. Modische Stiefel, die bei diesem Wetter überhaupt nichts taugen. Sie sprach über London, das schlechte Wetter, das Meer und so weiter. Wenn Sie mehr wissen wollen, sollten Sie Adrian Rees fragen.» Maud Brixenham entfernte einen Faden von ihrer Bluse.
    «Rees?»
    «Ich hab sie nämlich einmal abends zusammen gesehen.» Vielsagend blickte sie Jury an. «Sie gingen die High Street hoch. Wahrscheinlich hat er sie mit nach Hause genommen.»
    Jury sagte nichts darauf.
    «Das war an dem Tag vor Titus’ kleinem Abendessen. Komisch, da tat er nämlich so, als würde er sie überhaupt nicht kennen. Es war ganz intim, das Essen. Nur Titus, Lily Siddons, Adrian und diese Temple. Wir saßen im Bracewood-Salon. Ich erinnere mich, daß Miss Temple vor dem Feuer saß. Julian und ich standen mit unserm Sherry in der Hand herum. Ich glaube, in diesem Augenblick kam dann auch Lily herein. Es muß ein Schock für sie gewesen sein, die Anwesenheit dieser Temple. Sie erstarrte und blieb auf der Schwelle stehen. Starrte sie an wie eine Erscheinung.»
    «Hat sie die Ähnlichkeit mit Dillys March denn so überrascht?»
    «Überrascht? Geschockt war sie. Ihr Gesicht war weißer als ihr Kleid. Na ja, die Ähnlichkeit soll ja auch frappierend gewesen sein. Aber deswegen muß diese Frau noch nicht Dillys March gewesen sein …» Sie zuckte die Achseln. «Julian ist natürlich meiner Meinung. Die ganze Geschichte ist einfach absurd.»
    «Hat sie Ihnen gegenüber im Gasthof irgendeine Bemerkung fallenlassen, die darauf hinwies, daß sie sich in Rackmoor auskannte. Daß sie hier schon gelebt hatte?»
    «Nein. Aber diesen Leckerbissen hat sie sich bestimmt für später aufgehoben. Sie machte, wie Les sagen würde, auf cool. Nicht der Typ, den man aus dem Weg räumen muß. Nicht schlau genug.»
    So kann man’s auch sehen, dachte Jury. «Ich verstehe nicht ganz.»
    «Na ja, sie schien eher zu den Ausführenden als zu den Planern zu gehören. Aber vielleicht hat das gar nichts zu sagen.»
    «Was hat sie denn von sich gegeben?»
    «Daß sie Ferien mache. Und daß sie ein paar Freunde in Rackmoor habe. Ausgerechnet die Craels, wie sich herausstellte: Mit denen hätte ich sie nie in Verbindung gebracht. Nicht eine von ihrer Sorte.»
    «Hat sie denn etwas über ihre Beziehung zu ihnen gesagt?»
    «Nein, sie sagte nur, sie kenne sie von früher her. Aus ihrer Kindheit. Das war

Weitere Kostenlose Bücher