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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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fragte sich, ob seine Hölzernheit – seine aufrechte Haltung, sein starrer Gesichtsausdruck – wohl darauf zurückzuführen seien, daß er es vor allem mit Tieren und weniger mit Menschen zu tun hatte. Und daß er die Tiere den Menschen wahrscheinlich vorzog. Eine leichte Röte hatte sein sonnenverbranntes Gesicht überzogen. «Ja, für mich auch, wenn ich sie hätte machen lassen. Seit über zehn Jahren war ich Aufseher gewesen. Davor Reitknecht. Und wegen so einer wie der wollte ich das nicht aufs Spiel setzen.»
    Das klang nicht nur verächtlich, sondern richtig schroff. Evelyn war kein Mann, der seine Gefühle zur Schau trug; wenn Dillys ihn nach fünfzehn Jahren noch so in Rage versetzen konnte, dann mußte sie tatsächlich ein Teufelsbraten gewesen sein. Tom Evelyn schien seinen Stolz zu haben, und Jury versuchte, ihm nicht auf die Füße zu treten. «Gut. Sie wollten sie sich vom Hals halten, aber hat sie das davon abgehalten, sich Ihnen an den Hals zu werfen?»
    Evelyn ging in die Hocke und rührte den Brei um, der so dick war, daß der Löffel darin steckenblieb. Fünf Meter von ihnen entfernt fingen die Hunde an, nach ihrem Essen zu toben. «Sie hat’s auch geschafft. Aber nur kurze Zeit.»
    «Was ist passiert?»
    «Passiert ist nur einmal was. Lag an meiner jugendlichen Dummheit. Ich war damals der zweite Pikör. Dillys kam in den Zwinger, sie und der Colonel. Aber sie blieb etwas länger …» Er zuckte die Achseln und überließ es Jury, sich diesen Teil der Geschichte auszumalen. «Sie wollte es zu einer Dauereinrichtung werden lassen, aber ich hatte Schiß. Das Mündel des Colonels – Allmächtiger! Aber eine Crael war das nicht – egal, wo sie herkam und wo sie hin verschwunden ist, Dillys March war einfach eine Schlampe.»
    «Haben Sie eine Ahnung, wo sie hingegangen sein könnte? Und finden Sie es nicht komisch, daß sie einfach so verschwunden ist?»
    «Mann, ich werde nicht dafür bezahlt, mir darüber Gedanken zu machen.»
    «Und was war mit Olive Mannings Sohn, Leo? Ich hab gehört, daß sie mit ihm auch was gehabt haben soll.»
    Evelyns Lachen klang so schrill wie das Signal für die Hunde. «Natürlich. Sie hatte mit jedem was. Olive Manning hätte sie umbringen können –» Evelyn warf Jury einen Blick zu. «Sie wissen, wie ich das meine. Sie war untröstlich, als Leo in die Anstalt mußte.»
    «Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, daß das Mädchen einen sonst völlig normalen Mann reif für eine Anstalt machen konnte?»
    Evelyn antwortete nicht. Er bückte sich nach den Eimern mit dem weißen, gallertartigen Inhalt.
    «Komisch, daß sie einen, den sie praktisch die ganze Zeit vor der Nase hatte, überhaupt nicht bemerkte. Er war doch bei weitem der attraktivste, zumindest von ihrem Standpunkt aus.»
    «Ich weiß nicht, Rolfe Crael interessierte sich für Frauen , nicht für kleine Mädchen.» Evelyn lächelte, und das Lächeln war erstaunlich warm. «Aber sie hat es bestimmt probiert.»
    «Ich meine nicht Rolfe. Ich meine Julian.»
    «Wie kommen Sie denn darauf?»
    «Ich weiß nicht – er konnte sie doch nicht ausstehen.»
    Wieder dieses schrille Lachen. «Aber das ist doch absolut blödsinnig. Julian war verrückt nach ihr. Jeder konnte das sehen.»

21
    An Melroses Tür war die Andeutung eines Klopfens zu hören. Er schob die Fotos unter sein Kissen und sagte: «Herein!»
    Wood, mumienhaft reserviert, sagte: «Entschuldigen Sie, Sir, Sie werden am Telefon verlangt. Und Colonel Crael würde Sie auch gern sprechen, wenn Sie herunterkommen. Er ist im Red-Run-Salon, seinem ‹Nest›.»
    Melrose sah den Schatten der Mißbilligung auf Woods Gesicht: ein Gentleman, der vollständig angezogen um zwölf Uhr mittags auf dem Bett herumliegt und auch noch die Schuhe anhat? Sein eigener Butler, Ruthven, hätte sich nichts anmerken lassen. Er bedankte sich bei Wood und nahm die Beine vom Bett.
    «Wo finde ich hier ein Vergrößerungsglas, Wood? Ich muß ein paar Dinge unter die Lupe nehmen.»
    «Colonel Crael hat eines für seine Schmetterlingssammlung. Ich bringe es Ihnen.»
    «Ich komme sofort runter. Könnten Sie wohl noch etwas Tee und Toast für mich auftreiben? Ist zufällig Inspektor Jury am Apparat?»
    «Nein, Sir. Ich soll Ihnen ausrichten, daß der Inspektor nach London gefahren ist. Es ist Lady Ardry.»
    Verflucht, dachte Melrose. Jury in London. Was sollte er nur mit den Fotos machen? «Ist Sergeant Wiggins auch mitgefahren?»
    «Kann ich Ihnen nicht sagen. Sie sind zumindest

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