Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
zugeben, sie hat sich prima gehalten. Aber ein Schock war es doch für sie. Wenn Sie mit ihr sprechen wollen, sie ist dort. Oder …»
«Nein. Ist schon gut. Ist das der Arzt da drüben?»
«Ja. Kommen Sie mit.»
Der Amtsarzt war eine Frau; sie war gerade dabei, die vorläufige Untersuchung der Leiche abzuschließen und diktierte ihre Befunde über die Schulter einem Assistenten, der auf einer schematischen Zeichnung eines menschlichen Körpers seine Eintragungen machte.
«… an dieser Hand kleben Haare; packen Sie sie ein. An der andern nichts, aber ich würde sie trotzdem mitnehmen.»
Der Grund, warum an ihr nichts klebte, war wohl ganz einfach der, daß sämtliche Finger fehlten.
Lässig warf die Ärztin sie wieder auf den Baumstumpf und wies ihren Assistenten an: «Bitte jeden Finger einzeln eintüten.»
Jury machte einen Schritt nach vorn, wurde aber von ihrem Assistenten wieder zurückgepfiffen. «Bitte nicht auf den Finger da treten, Sir.»
Er blickte auf den Boden und zog schnell den Fuß zurück. Erst jetzt bemerkte er die beiden abgetrennten Finger. Einer war von dem Baumstumpf gerollt. Das Opfer, eine jüngere Frau, Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig, lag mit der einen Wange im seichten, schlammigen Wasser des Bachs. Das Wasser hatte durch das Blut eine rostigbraune Farbe angenommen. Abgesehen von der Hand schien die Leiche keine weiteren Verstümmelungen aufzuweisen; das bläulich angelaufene Gesicht verriet Jury, daß sie erwürgt worden war.
Die Ärztin erhob sich, klopfte sich das Laub und die kleinen Zweige von den Knien und nannte ihren Befund: «Nach erster Untersuchung seit ungefähr sechsunddreißig Stunden tot. Also am Donnerstagabend so zwischen acht Uhr und Mitternacht.»
Die Polizeiambulanz war von der Horndean-Hertfield Road abgebogen und versuchte, auf dem Fußweg an den Tatort heranzukommen. Ein paar Meter vor der Leiche mußte sie anhalten. Zwei Männer brachten eine Bahre und ein Gummituch.
«Was ist mit der Hand, Doc?» fragte Jury die Ärztin.
Sie schob die Unterlippe vor und blickte auf die Plastiktüte, die sie ihrem Assistenten gegeben hatte. «Eine Axt anscheinend. Nur ein Hieb. Da drüben liegt sie.» Sie zeigte auf eine kleine Doppelaxt im Gras.
«Haben Sie eine Ahnung, warum der Mörder sich die Mühe machte, ihr die Finger abzuhacken?»
Sie schüttelte den Kopf und ließ ihre Tasche zuschnappen. Eine Frau, die nicht viel Worte machte. Sie trug ein strenges schwarzes Kostüm, dem eine helle Hemdbluse wohl eine etwas freundlichere Note verleihen sollte. Unter dem Kragen kam jedoch eine schmale, schwarze Krawatte zum Vorschein.
«Wegen der Fingerabdrücke kann er’s nicht gemacht haben», sagte Carstairs, «sonst hätte er von beiden Händen die Finger abgehackt. Und, äh, die Finger mitgenommen. Die Axt gehört Miss Craigie, hat mir Gere erzählt. Das ist die Frau, die die Leiche gefunden hat. Sie benutzt sie, um sich einen Weg durch das Gebüsch zu bahnen, um die Zweige und so weiter durchzuhauen … damit sie die Vögel beobachten kann. Vögel sind Miss Craigies große Leidenschaft.» Inspektor Carstairs zog an seinem Ohrläppchen, als wäre es ihm peinlich, ein so banales Detail erwähnen zu müssen.
«Hätte es auch eine Frau tun können?» fragte Jury die Ärztin.
Jedes ihrer Worte war ein Tropfen Säure: «‹Hätte es auch eine Frau tun können?› Ja, Superintendent. Sie werden feststellen, wir bringen alles mögliche fertig – wir ziehen uns an, ziehen uns aus, fahren Fahrrad, bringen Leute um die Ecke.»
Ein Punkt für die Emanzen, dachte er. «Entschuldigung.» Sie ging, und Jury und Carstairs starrten auf die Leiche hinunter. Der schwarze Mantel war schmierig von Algen, und in den Haaren hatten sich Zweige und Blätter verfangen.
Sergeant Wiggins und Peter Gere entfernten sich von den Polizisten aus Hertfield, die das Gelände absuchten, und kamen auf sie zugestapft.
Wiggins betrachtete die verstümmelte Hand, während die Frau in das Gummituch gehüllt wurde. «Was meinen Sie – warum hat er ihr die Finger abgeschnitten?»
Jury schüttelte den Kopf. «Jedenfalls nicht, um ihr auf Wiedersehen zu sagen.»
Sie sassen wieder in dem einen Dienstraum der Polizeiwache an der Hauptstraße und wärmten sich die Hände an Bechern mit heißem Tee und Kaffee.
«Die Leiche ist noch nicht identifiziert», sagte Carstairs. «Die Etiketten der Kleider stammen von Swan und Edgar und Marks und Sparks. Man kann schon am Stoff erkennen, daß sie
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