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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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lauter, pickeliger Jugendlicher und dies sein erstes Rendezvous. Philippa Palmer kam pünktlich um sechs Uhr. Morse hatte mit ihr vereinbart, daß sie als Erkennungszeichen in der linken Hand ihre Handtasche und in der rechten den London Standard tragen sollte. Die Tatsache, daß sie es genau umgekehrt gemacht hatte, überraschte ihn jedoch nicht und weckte auch keinerlei Zweifel in ihm, daß sie es vielleicht nicht sein könnte. Er selbst hatte nämlich ebenfalls seine Schwierigkeiten mit rechts und links, Ost und West. Und davon abgesehen hätte er sie auch erkannt, ohne daß es eines besonderen Zeichens bedurft hätte — so glaubte er jedenfalls.
    Er stand auf, und sie ging auf ihn zu.
    «Chief Inspector Morse?» Ihre Miene war ausdruckslos und verriet weder Nervosität noch Verlegenheit, noch auch Entgegenkommen.
    «Darf ich Ihnen einen Drink holen?» fragte er höflich.
    Er ging an den Tresen und reihte sich in die Schlange der Wartenden ein. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sie ihren Regenmantel auszog. Sie mußte ungefähr ein Meter siebzig groß sein und trug ein türkisblaues Wollkleid mit Rollkragen, das die Kurve ihres wohlgeformten Hinterns dezent unterstrich, ihre Figur aber ansonsten eher verbarg, wozu, wie Morse fand, kein Anlaß bestand. Mit einem Glas Rotwein in der Hand kehrte er an den Tisch zurück. Bevor er sich setzte, warf er einen verstohlenen Blick auf ihre übereinandergeschlagenen Beine. Sie trug hochhackige Pumps, die, nach Morses Ansicht, ihre etwas zu ausgeprägten Waden unvorteilhaft unterstrichen. Über ihrer Ferse klebte ein Stück Pflaster, so als ob die teuren Schuhe, bei aller Eleganz, doch reichlich unbequem seien.
    Sie hatte seinen Blick bemerkt. «Ich habe kürzlich an einem Zwanzig-Kilometer-Lauf teilgenommen, für wohltätige Zwecke.»
    «Für den Sozialfonds der Polizei, nehme ich an», sagte Morse ein wenig spöttisch.
    Um ihre Augen zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. Sie hatte ein anziehendes Gesicht, und die Fülle brauner Haare, die hier und da einen leichten Kastanienton zeigten, trug noch dazu bei, ihre Attraktivität zu unterstreichen. Das Bemerkenswerteste aber waren die großen dunkelbraunen Augen über den hohen Wangenknochen. Ihr Mund war nur schwach dunkelrot geschminkt, und beim Sprechen (sie hatte einen leichten, kaum merklichen Cockney-Akzent) enthüllte sie eine Reihe kleiner, regelmäßiger Zähne. Viele Männer, die meisten vermutlich, würden sie sehr begehrenswert finden, und nicht wenige würden bereit sein, eine Menge Geld für ein paar Stunden mit ihr zu bezahlen.
    Sie hatte offenbar schon einiges erlebt, aber sie brauchte nicht allzulange, es zu erzählen. Sie war, wie sie zugab, ein Top-Call-Girl und suchte sich ihre Kunden in den Bars der teuren Hotels entlang der Park Lane und in Mayfair. In früheren Jahren hatte sie gelegentlich ihre Dienste gleich an Ort und Stelle ausgeübt, das heißt, sie war mit ihren Kunden, meistens reichen Arabern, in deren Luxus-Appartements oder Penthouse-Suiten gegangen. Doch das war die Ausnahme. Mit der Mehrzahl der Männer fuhr sie im Taxi nach Chiswick, wo sie im achten (und obersten) Stock eines modernen Appartementblocks eine Wohnung besaß. Hier war sie vor zufälligen Besuchern sicher: der Lift fuhr ohne Stop bis in ihre Etage; Kindern und Hausierern war das Betreten des Gebäudes untersagt. Sie teilte sich die Wohnung mit einem Mädchen, das als Tänzerin im Striporama Revue Club unweit der Windmill Street arbeitete. Sie war eine Frohnatur, wenn auch bisweilen etwas unzuverlässig. Von Anfang an waren sie sich einig gewesen, daß sie nachts keinen Mann in der Wohnung haben wollten, und an diese Abmachung hatten sie sich beide gehalten. Soviel zu ihrem Leben — mehr gab es da eigentlich nicht zu erzählen.