Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
vorgezogen hätte, wieder bei sich zu Hause zu sein. Nach der Hektik der letzten Tage wirkte die Ruhe im Hotel jetzt bedrückend und hinterließ ein Gefühl der Leere: die Scharen von Polizeibeamten und Presseleuten waren gegangen, ebenso fast alle Gäste — mit Ausnahme des einen natürlich, der in ein Tuch gehüllt abtransportiert worden war. Die Dependance lag im Dunkeln, auch in dem Raum an der Rückseite, der von Morse und Lewis als Büro genutzt wurde, brannte kein Licht mehr. Die einzigen sichtbaren Zeichen, daß sich etwas Ungewöhnliches ereignet hatte, waren das Seil, welches das Gebiet um die Dependance absperrte, sowie der Polizist neben dem Eingang. Sein Atem dampfte in der kalten Luft, und ab und zu stampfte er mit den Füßen auf oder klopfte sich die Arme, um warm zu bleiben. Sie überlegte gerade, ob sie ihm etwas Warmes zu trinken nach draußen bringen sollte, als sich das Fenster ein Stockwerk tiefer öffnete und Mandy sich herausbeugte, um ihm eine Tasse Tee anzubieten.
    Die Tabletten hatten sich aufgelöst. Sie trank die milchige, bittere Flüssigkeit, machte das Licht an, spülte das Glas aus, strich die Tagesdecke glatt und stellte den Fernseher an. In den Nachrichten wurde die übliche Schreckensbilanz gemeldet: Massenkarambolage auf der Autobahn, Flugzeugentführung, Aufstände und terroristische Anschläge. Merkwürdigerweise wirkten die krassen Bilder von Sterben und Gewalt viel weniger verstörend auf sie als der Gedanke an den einen Toten, der kaum dreißig Meter von ihr entfernt umgebracht worden war. Sie schaltete den Fernseher aus und ging ans Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Sie wollte sich, bevor sie mit den Binyons zu Abend aß, noch ein wenig waschen und frisch machen.
    Merkwürdig!
    Sie hielt mitten in der Bewegung inne. In der Dependance war das Licht angegangen. Sie überlegte, wer das sein mochte. Vermutlich der Constable, denn er hatte seinen Platz neben dem Seiteneingang verlassen. Dem Lichtschein nach zu urteilen, der sich als gelbes Rechteck auf dem Schnee vor dem Haus abzeichnete, mußte er sich in Zimmer zwei aufhalten. Plötzlich, von einem Moment zum anderen, war es wieder dunkel, und Sarah, die noch immer mit ausgestreckten Armen am Fenster stand, wollte gerade endgültig zuziehen, als sie auf einmal drüben im Eingang, eng an die linke Wand gedrückt, eine Gestalt bemerkte. Das Herz schien ihr einen Moment lang stillzustehen, und sie hatte das Gefühl, als stecke ihr ein Klumpen im Hals. Ein paar Sekunden stand sie so, völlig regungslos, wie hypnotisiert, dann wich der Schock, und sie handelte. Sie riß die Tür auf, stürzte die Treppe hinunter, lief durch das Foyer und an der Vorderseite entlang zum Nebeneingang des Hotels. Mühsam nach Luft ringend, blieb sie stehen. Der Constable, eine Tasse Tee in der Hand und offenbar in angeregter Unterhaltung mit Mandy, dem Zimmermädchen, sah sie erstaunt an.
    «Da drüben ist jemand», flüsterte sie heiser und zeigte mit der Hand zur Dependance hinüber.
    «Ich verstehe nicht...»
    «Ich habe dort drüben im Eingang jemanden stehen sehen», wiederholte sie ungeduldig.
    Endlich hatte er begriffen. Er setzte scheppernd die Teetasse ab und lief in Richtung Dependance, die beiden Frauen ängstlich ein paar Schritte hinter ihm. Sie sahen, wie er die Tür öffnete (sie war nicht geschlossen gewesen, soviel war klar) und wie drinnen das Licht anging und nach kurzer Zeit wieder verlöschte.
    «Also jetzt jedenfalls ist da keiner mehr», sagte der Constable etwas trotzig, so als wolle er nicht wahrhaben, daß er sich einer möglicherweise verhängnisvollen Pflichtverletzung schuldig gemacht hatte.
    «Es muß aber jemand dagewesen sein», beharrte Sarah. «Und wer immer es war, muß im Zimmer zwei gewesen sein — von dort kam der Lichtschein.»
    «Aber die Zimmer sind alle verschlossen, Miss», sagte der Constable beinahe beschwörend.
    Sarah schwieg. Es gab nur zwei Schlüsselbunde mit Hauptschlüsseln, und einen davon hatte Binyon, wie Sarah wußte, dem Sergeant gegeben. Dieser aber war vor einigen Minuten weggefahren, sie hatte es selbst gesehen. War also Binyon aus irgendeinem Grunde herübergekommen, war er die schlanke Gestalt gewesen, die sie beobachtet hatte? Aber wenn ja, was um alles in der Welt hatte er gewollt?
    In diesem Moment hörte sie plötzlich hinter sich eine Stimme, die fragte, was los sei. Es war Binyon, er schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Sarah berichtete ihm, was sie gesehen hatte, und er

Weitere Kostenlose Bücher