Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
zudem, über die gerade dieses Revier bestens informiert sein müßte, da gestern Sergeant Phillips sowie zwei andere Constables von hier abgestellt worden sind, um ; bei eben dieser Untersuchung Unterstützung zu leisten.»
Sergeant Vickers, bleich wie der Tod, nickte eifrig.
«Und hiermit erteile ich Ihnen, Ihnen ganz persönlich, Sergeant», fuhr Morse fort, «den Auftrag, Ihren Trottel von Kollegen zu finden, der gestern die Sache hier verbockt hat, und ihm auszurichten, daß ich ihn zu sehen wünsche — und zwar sofort! Meine Güte! So etwas ist mir wirklich noch nicht vorgekommen! Es gibt doch schließlich Regeln, oder, Sergeant? Und die besagen — und zwar zwingend, Sergeant — , daß, wenn eine Fundsache abgegeben wird, eine Karte anzulegen ist, auf der der diensttuende Beamte Namen, Adresse und Beruf des Finders zu notieren hat sowie wann, wo und unter welchen Umständen dieser den Gegenstand gefunden hat. Und haben wir nun diese Angaben? Nein, nein! Es existiert ja nicht einmal eine Karte! Und so wissen wir nun weder, wer die Handtasche gefunden hat, noch, wo und wann sie gefunden wurde. Wir wissen rein gar nichts.»
Während Morse lautstark seinem Unmut Luft machte, hatte ein Constable den Raum betreten, der offenbar darauf wartete, ihm etwas mitzuteilen. Als er sah, daß Morse jetzt offenbar mit seiner Schimpftirade am Ende war, trat er auf ihn zu, um ihm zu sagen, daß er am Telefon erwartet werde.
Nachdem Morse gegangen war, blickte Lewis Vickers, den er schon lange kannte und den er sehr schätzte, teilnahmsvoll an.
«Warst du derjenige, welcher, Sam?» erkundigte er sich.
Vickers nickte.
«Mach dir mal keine allzu großen Sorgen, der kriegt sich auch wieder ein.»
«Das schlimme ist, er hat recht», sagte Vickers unglücklich. «Jedem, aber auch jedem, der hier anfängt, sage ich als erstes, er soll sich an die Regeln halten und die Formulare korrekt ausfüllen. Und ich selber...»
«Kannst du dich erinnern, wer die Tasche gebracht hat?»
«Ja, einer von den Pennern. Ich weiß aber nicht, wie er heißt. Vermutlich haben wir sogar eine Akte über ihn; die meisten von ihnen sind ja irgendwann bei einem Diebstahl erwischt worden. Arme Schweine, die Penner... Aber wenn sie hier auftauchen, halten sie den ganzen Laden auf, und meistens ist auch nichts Vernünftiges aus ihnen herauszubringen. Deshalb sind wir immer froh, wenn sie bald wieder verschwinden. Ich nehme an, daß er sich das Geld, das in dem Portemonnaie war, unter den Nagel gerissen und die Tasche nur abgegeben hat, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Ich habe ihn natürlich gefragt, wo er die Tasche gefunden hat, aber er wollte es offenbar nicht sagen, und ich habe nicht darauf bestanden. Mit seinem Namen war es dasselbe. Ich habe gedacht, Hauptsache, er hat die Tasche abgegeben, alles andere ist nicht so wichtig...»
«Morse wird dich schon nicht umbringen, Sam!»
«Sagst du! Ich glaube übrigens nicht, daß euch die Sachen, die sie in der Tasche hatte, viel weiterhelfen werden — scheint nur so das Übliche zu sein.»
«Laß mich mal sehen», sagte Lewis. Vickers reichte ihm die Tasche, und Lewis sah sie prüfend an. «Die war nicht billig», bemerkte er. Er öffnete sie und sah hinein. Vickers schien recht zu haben: Sie enthielt auf den ersten Blick nichts, was für ihre Ermittlungen von Interesse sein konnte. Er zog das Portemonnaie hervor und leerte es aus. Drei Kreditkarten, zwei Briefmarken, ein Reklamezettel mit Namen und Telefonnummer eines indischen Restaurants in der Walton Street in Oxford sowie Margarets Hausausweis für die Delegacy. Lewis sah sich eins nach dem anderen sorgfältig an und wollte gerade alles wieder zurückpacken, als er auf der Rückseite der Restaurant-Werbung eine handschriftliche Notiz entdeckte.
M. Ich liebe Dich, mein Schatz! T.
Offenbar eine Erinnerung an glücklichere Zeiten, vielleicht an ihren ersten gemeinsamen Restaurant-Besuch, dachte Lewis, und stellte sich vor, wie Margaret und Tom Bowman, händchenhaltend nebeneinander sitzend, Bombay Curry gegessen und sich tief in die Augen geschaut hatten.
Als Morse zurückkehrte, schien er deutlich besser gelaunt. Der Anrufer war Sergeant Phillips gewesen, der, ebenso hartnäckig wie umsichtig, offenbar inzwischen herausgefunden hatte, daß Margaret Bowman gestern gegen zwei Uhr in der Filiale der Oxfordshire Building Society in Chipping Norton erschienen war und bis auf zehn Pfund — die Mindestsumme, die stehenbleiben mußte —
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