Inspiration – Du sollst mein sein!
ich mir denken kann. Aber Ihre Schwester hat selbst dafür gesorgt, dass er nicht an ihrer Seite war. Sie betrachtete es als persönliche Herausforderung, ihm immer wieder zu entwischen, und hat das wohl auch gestern Nachmittag gegen zwei getan. Sie ließ sich von ihm zu einer Verabredung zum Mittagessen begleiten und hat sich dann dort durch das Toilettenfenster abgesetzt. Auf die Damentoilette konnte er ihr natürlich nicht folgen, und sie wusste das. Dieser Vorfall ist übrigens bereits von Miss Stephanie Delainy bestätigt worden. Mit ihr war Geraldine verabredet.«
Rick holte tief Luft. »Miss Wheeler, wenn Ihnen das zu schwer wird, dann können wir notfalls Mr. Velasquez bitten, Ihre Schwester zu identifizieren.« Cooper blickte ihn überrascht an, sagte aber kein Wort.
Corinne Wheeler runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen. Leise murmelte sie »Ja, Stephanie … das passt« und stand schließlich entschlossen auf. »Also gut, meine Herren. Ich danke Ihnen, dass Sie so verständnisvoll sind. Aber das ist nicht nötig. Ich glaube, ich bin nun bereit für … ich meine, wir können dann fahren. Ich nehme an, Geraldine ist zur Ge…«, sie kam ins Stocken, schluckte schwer und rieb ihre Handflächen hektisch aneinander, »… zur Gerichtsmedizin gebracht worden?«
Insgeheim bewunderte Rick sie für ihre Beherrschung. Sie hielt sich wirklich erstaunlich gut. »Ja, natürlich. Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir beide Sie dorthin begleiten. Natürlich fahren wir Sie auch wieder zurück.«
»Wenn Sie noch kurz warten könnten, ich möchte mir eine Jacke holen. Von meiner Ausbildungszeit weiß ich noch, wie k…kalt es immer in solchen Räumen ist. Ich hab das damals schon verabscheut. Ich bin gleich wieder zurück.«
Damit wandte sie sich ab und verschwand in einem Nebenraum; kurze Zeit später kehrte sie eingehüllt in eine dicke Strickjacke zurück, die sie vor der Brust krampfhaft mit beiden Händen zusammenhielt. Rick und Cooper ließen ihr den Vortritt und folgten ihr dann hinaus auf den Gang und zum Fahrstuhl. Beide registrierten, wie schwer es ihr fiel, nicht in Tränen auszubrechen. Offenbar war ihr gerade erst richtig klar geworden, dass ihre kleine Schwester an eben diesem kalten Ort auf sie wartete. Einem Ort, den sie nur noch in einem Sarg verlassen würde, um in die dunkle Erde hinabgelassen zu werden.
Zwei Stunden später stand Corinne wie erstarrt allein an ihrem Wohnzimmerfenster und blickte hinaus, ohne auch nur das Geringste zu sehen. Komisch eigentlich, dass man bis zur letzten Sekunde hofft, obwohl man weiß, dass sich die Realität nicht ändern lässt , dachte sie.
Sie hatte den Worten des Polizisten gelauscht, hatte sie auch verstanden, doch als Wahrheit hatte sie den Tod ihrer kleinen Schwester erst in dem Moment akzeptiert, als sie ihren Leichnam auf der Bahre im Leichenschauhaus gesehen hatte, abgedeckt mit einem weißen Leinentuch. Als sie ihrer Schwester ein letztes Mal über die nun blasse und gar nicht mehr warme Wange strich. Erst da hatte sie die Endgültigkeit dieses Moments bewusst realisiert.
Nachdem sie vor fünf Jahren ihre Mutter verloren hatte, nahm ihr das Schicksal nun auch noch ihre kleine Geraldine und ließ sie allein mit einem Vater zurück, der sich weder um sie scherte, noch in irgendeiner Weise Liebe für sie empfand. Für ihn stellte sie vielmehr die Enttäuschung seines Lebens dar, den dunklen politkarrierelosen Fleck, der seinen tief verwurzelten Familienstolz mit Füßen trat.
Corinne seufzte und wandte sich vom Fenster ab, ließ sich in die flauschigen Polster ihres Sofas fallen und schloss die Augen. Sie musste sich ausruhen, musste all ihre Stärke sammeln, denn schon morgen würde sie alle Kraft benötigen, wenn sie ihrem Vater gegenübertrat.
Dem Mann, für den Geraldine in den letzten fünf Jahren der Dreh- und Angelpunkt, der Fixstern, die einzige Sonne in seinem Universum gewesen war. Geraldine, die ihrer Mutter so ähnlich sah, dass man sie für deren Zwilling hätte halten können.
Wie immer würde er nach einem Schuldigen suchen und ihn in Corinne finden. Sie sah ihn förmlich vor sich, mit vor Wut und Trauer verzogenem Gesicht. Die Hand anklagend erhoben, den Finger auf sie – Corinne – gerichtet.
»Hättest du sie nicht nach Los Angeles gelockt, dann würde sie noch leben.«
Ungerecht … aber wahr.
* * *
»Ich hoffe für Sie, dass Ihre Ermittlungen schnell vorankommen und Sie mir alsbald den Namen des Unmenschen nennen
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