Inspiration – Du sollst mein sein!
Schwester Corinne war Geraldine einfach nur sie selbst gewesen, ohne jemals auf ihre Schwäche angesprochen zu werden. Corinne hatte sie nicht in Watte gepackt und ihr Freiheiten gelassen. Und eigentlich hatte Geraldine es immer mit vorbildlichem Verhalten vergolten. Bis ihr Vater auf den abwegigen Gedanken gekommen war, ihr einen Aufpasser an die Seite zu stellen. Geraldines Trotz wurde dadurch so nachhaltig geweckt, dass sie all ihre Grenzen vergessen hatte.
Senator Wheeler, der seine beiden Töchter so genau kannte und geschickt zu manipulieren verstand, hätte das eigentlich wissen müssen. Und trotzdem gab er Corinne die Schuld am Tod seines kleinen Lieblings. Ihr und diesem Miguel Velasquez, der nicht einen Cent von dem Geld wert gewesen war, das er ihm bezahlt hatte. »Du und dieser Mexikaner, ihr seid schuld an diesem Drama. Ich habe stets nur mein Bestes getan, um meinen kleinen Sonnenschein vor dem Bösen in der Welt zu schützen.« Bei den letzten Worten schlich sich eine leise Ironie in Senator Wheelers Worte, was ihm selbst jedoch nicht bewusst war.
Wie ein Rachegott stand er vor seiner Tochter, die förmlich in den Polstern ihres Sessels verschwand, blickte von oben herab auf ihren gesenkten Scheitel. Und bedauerte außerordentlich, dass niemand von der Presse in der Nähe war, der diesen gelungenen Ausbruch hätte für die Nachwelt festhalten können. Wirklich zu schade, dass sein so überzeugender Auftritt nicht das richtige Publikum fand. Wirklich zu schade!
Plötzlich ging ein Ruck durch Corinne, die bisher alles stumm erduldet hatte. Etwas in der flammenden Schuldzuweisungsrede ihres Vaters hatte sie aufmerken lassen, sein Tonfall hatte ihn verraten. Erstmals spürte sie überdeutlich die unnahbare Kälte, die er verströmte. Es war schließlich niemand da, für den er eine perfekte Show abziehen musste. Hier war nur seine bislang so unterwürfige und schweigsame Tochter. Endlich sah sie klar.
Sie erhob sich, stand plötzlich kerzengerade vor ihrem Vater und sah ihm direkt in die Augen, die keinerlei Gefühl verrieten. »Du bist ja ein solcher Heuchler! Du hast uns alle nur benutzt, skrupellos benutzt die ganze Zeit. Jetzt erst erkenne ich, was für ein Mensch du wirklich bist. Dir ging es nie um Geraldine, nicht wahr? Dein Sonnenschein … dass ich nicht lache. Du bist froh, dass du sie los bist, dass sie dir keine Schwierigkeiten mehr machen kann. Dir geht es nur um die Publicity, die dir ihr Tod beschert. Der bedauernswerte Vater in tiefer Trauer um seine Tochter. Das ist so … widerlich und armselig. Schade, dass das deine Wähler offenbar nicht erkennen. Ich wünschte, es wäre anders. Ich möchte, dass du sofort gehst. Und ich möchte dich am liebsten nie mehr wiedersehen. Vergiss, dass es mich gibt!«
Mit einem letzten verächtlichen Blick auf seine Tochter drehte er sich wortlos auf der Stelle um und ging, ohne eine Erklärung und ohne auch nur eine einzige Geste, mit der er ihre Anklage von sich wies. In diesem Moment war er als Vater für Corinne gestorben, und sie war sicher, dass er diese Räume nie wieder in seinem Leben betreten würde. Obwohl sie ihn voller Abscheu aus ihrem Leben wies, wusste er doch ganz genau, dass das, was sie soeben erst erkannt hatte, nie den Weg an die Öffentlichkeit finden würde – weil Corinne im Gegensatz zu ihm niemals im Rampenlicht der Medien stehen wollte.
7
»Schätzchen, entspann dich. Vielleicht war es das schon mit deiner Fanpost. Du bist ja völlig überdreht.« Christine griff quer über den Tisch nach der Hand ihrer Freundin, die ständig über die Tischplatte fuhr. Bellinda schien völlig außerstande zu sein, ihre Hände auch nur für eine Sekunde ruhig zu halten.
Auch Elli musterte ihr Gegenüber besorgt. Fast dankbar konzentrierte sie sich auf Bellindas Probleme. Immer noch besser, als über die eigenen nachzudenken. Seufzend dachte sie an den gestrigen Tag, als man die Leiche der jungen Geraldine Wheeler im Griffith Park gefunden hatte. Elli war kaum in der Lage gewesen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Gott sei Dank gab es keine Besonderheiten an der Leiche zu entdecken, ansonsten hätte sie sich möglicherweise tief in die Nesseln gesetzt.
Weder Christine noch Bellinda wussten bisher davon, dass vor zwei Tagen plötzlich ihr Exmann Alexander spät nachts vor ihrer Tür gestanden und um Hilfe gebettelt hatte. Und dass sie ihn – dumm und gutmütig, wie sie nun einmal war – auch noch in ihre Wohnung gelassen und ihm auf
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