Inspiration – Du sollst mein sein!
der erst einen Kerl mit unkontrollierter Wut zerlegt und sich dann derart kalkuliert und planvoll über Frauen hermacht? Klingt für mich irgendwie völlig unlogisch. Und was ist das da eigentlich?«
Rick richtete sich langsam auf und warf den Stock beiseite. »Tja, hab lange darüber nachgedacht. Und dann ist es mir plötzlich eingefallen. Solche Abdrücke gab‘s manchmal im Garten bei meiner Tante Lucia, wenn Onkel John Fotos bei Familienfeiern gemacht und sein Stativ in ihren Beeten aufgestellt hatte. Anders bekam er die Terrasse nicht ganz aufs Bild. Sie wurde dann immer fuchsteufelswild und hat gleich mit dem Harken angefangen. Deshalb ist sie auf den Fotos auch fast nie drauf.«
Er warf einen Blick von den Eindrücken im Boden zu der Leiche, die – wie üblich bis zum Eintreffen des Pathologenteams und der Spurensicherung – unangetastet am Baum festgebunden war. »Tja, ich würde mal sagen, unser Mann filmt seine Spielchen, damit er sie sich später noch mal ansehen kann. Der dreht seine eigenen Horrorfilme für zu Hause.«
Cooper fluchte leise vor sich hin. »Oh Mann, dann können wir uns ja auf einiges gefasst machen. Wenn das wirklich so sein sollte, dann ist das hier für ihn nur die Wiederholung der misslungenen Szene vom letzten Mal. Da ist er ja nicht bis zum Finale gekommen, weil ihm die kleine Wheeler vorher weggestorben ist. Als Ersatz hat er sich dann die Freundin geschnappt. Diesmal hat er sich sein Opfer aber besser ausgesucht, denn die Szene ist ihm eindeutig gelungen.«
Rick blickte seinem Partner in die Augen. »Gut erkannt, Sherlock. Wirklich gut erkannt. Bleiben ein paar Fragen: Erstens, woher wusste er von der kleinen Delainy? Er muss sie zumindest einmal zusammen mit Geraldine Wheeler gesehen haben. Wahrscheinlich hat er dann durch die Berichterstattung in den Medien erfahren, wer sie ist. Aber wo und wann hat er sie gesehen? Vielleicht am Tag von Miss Wheelers Verschwinden? Möglich wär‘s … aber wahrscheinlich werden wir das kaum herausfinden. Und nächste Frage: Hat er sein eigenes Drehbuch im Kopf oder schmückt er sich mit fremden Federn? Und wenn ja, hat er einen Partner oder ist er Einzelkämpfer?«
Coopers Miene wechselte von besorgt zu betroffen. »Glaubst du wirklich, dass das hier zwei Typen waren?« Rick schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich weiß nicht, das Stativ hat halb zwischen den Büschen gestanden, und die sind ziemlich dicht. Ich hab auch nur zwei Fußspuren gesehen, die des Opfers und Schuhabdrücke daneben. Aber das werden unsere Jungs von der Spurensicherung noch überprüfen. Vielleicht können sie brauchbare Abgüsse machen, die für einen Vergleich taugen, obwohl der Boden ziemlich weich und sandig ist. Wahrscheinlich wird das mit Abgüssen eher nichts werden. Ich halte es jedenfalls für unwahrscheinlich, dass da einer die Kamera bedient hat. Ich tippe eher auf einen Fernauslöser oder so etwas. Oder er hat die Kamera einfach die ganze Zeit laufen lassen. Aber vielleicht hat er jemanden, der ihm die Ideen in die richtige Form bringt. Du weißt schon, so was wie einen Skriptschreiber oder wie sie die Typen beim Film nennen. Das hier wirkt derart inszeniert, so gut vorbereitet und geplant, dass es schon fast Filmniveau hat. Einfach zu perfekt.«
Mittlerweile war das Pathologenteam angekommen. Diesmal jedoch ohne Dr. Purcell, wie Cooper enttäuscht feststellte. Der kleine dickliche Mann mit dem stark ausgedünnten grauen Haarkranz, der mit seiner zerknautschten Tasche zielstrebig zur Leiche schritt, war sowohl ihm als auch Rick wohl vertraut und absolut unsympathisch. Cooper stöhnte vor Unbehagen.
Dr. Kellerman war bekannt für seine rüde und unfreundliche Art. Er ließ die Polizei gerne auf seine Erkenntnisse warten, wenn er das Gefühl hatte, dass man ihm nicht den nötigen Respekt entgegengebrachte. Und das Gefühl hatte er eigentlich immer, weil er schon die einfache Frage nach dem geschätzten Todeszeitpunkt als Angriff auf seine Integrität wertete.
Seufzend klopfte Rick seinem Partner auf die Schulter. »Geh du schon mal und kümmere dich um unsere Freunde von der Spurensicherung. Befrage meinetwegen noch mal intensiv die Zeugin, die die Leiche gefunden hat. Und mach Meldung beim Captain. Schließlich muss irgendjemand Mr. und Mrs. Delainy über den Tod ihrer Tochter informieren. Darin hat Carruthers ja mittlerweile Übung. Ich widme mich derweil dem lieben Dr. Kellermann. Und ich werde ganz freundlich sein … mit Gottes Hilfe.«
Dankbar
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