Instinkt
erwiderte Tina entschlossen. »Paul Wises Tage sind gezählt. Ich habe Beweise, die das garantieren. Ich habe die Vernehmung von Anthony Gore aufgezeichnet, worin er seine Rolle in der ganzen Affäre gesteht und Paul Wise belastet.«
»Das haben die Zeitungen gar nicht erwähnt.«
»Die wissen nichts davon. Noch nicht. Auch keiner meiner Kollegen. Ich wollte sicherstellen, dass die Aufnahme nicht irgendwo verschwindet. Paul Wise hat seine Kontakte überall, und wenn jemand in der Lage ist, Beweismaterial verschwinden zu lassen, dann er.«
»Würde das Band vor Gericht standhalten? Jetzt, da Gore tot ist?«
Tina zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Aber morgen treffe ich mich mit einem Journalisten vom Guardian. Jemanden, den ich gründlich überprüft habe und der sauber ist wie eine frische Babywindel. Ich werde ihm die Aufzeichnung übergeben, unter der Bedingung, dass er sie publiziert. Und wenn das geschieht, dann werden die Bosse und die Regierung keine andere Wahl mehr haben, als Dampf zu machen, damit Wise nach England ausgeliefert und vor Gericht gestellt wird.«
»Wird Wise nicht dagegen klagen?«
»Mit welcher Begründung? Es handelt sich um das aufgezeichnete Geständnis eines Ministers der britischen Regierung. Klar, er kann Gores Nachlass verklagen, aber ich bezweifle, dass er das versuchen würde. Meinen Journalisten jedenfalls kümmert das nicht.«
Egan warf ihr einen bewundernden Blick zu. »Scheiße, du machst keine Gefangenen, was? Zum Glück stehe ich auf deiner Seite und nicht auf der anderen.«
»Paul Wise hat mir über die Jahre eine Menge Leid zugefügt. Ich hoffe nur, ich bekomme die Gelegenheit, ihm ins Gesicht zu sagen, dass ich an seinem Untergang beteiligt war.«
»Ich glaube, das wirst du.«
»Man wird sehen«, sagte sie und erhob sich. »Ich gehe jetzt mal besser. Lass dir die Pralinen schmecken. Und den Schnaps natürlich.«
Es entstand ein peinlicher Moment, da Tina nicht recht wusste, ob sie ihm zum Abschied die Hand geben, ihn auf die Wange küssen oder einfach nur reserviert Abstand halten sollte. Schließlich rang sie sich zu einem Kuss auf die Wange durch und war nicht wirklich überrascht, als sie spürte, wie er seinen Arm um ihre Taille legte.
»Werde ich dich wiedersehen, Tina Boyd?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Egan war ein gut aussehender Bursche, so gut aussehend, dass man sich in ihn verknallen konnte. Vielleicht hätte sie das sogar, doch ihre Aufmerksamkeit galt noch immer einem anderen.
»Man kann nie wissen«, erwiderte sie und entzog sich sanft seinem Griff.
Vor dem Krankenhaus zündete sie sich eine Zigarette an und ging gedankenverloren die Gower Street hinunter Richtung Tottenham Court Road. Die Sonne schien, es war ein schöner Tag. Tina fragte sich, was sie wohl tun würde, wenn Gores Geständnis tatsächlich Paul Wise zur Strecke brächte. Es den Medien zuzuspielen, nachdem sie zuvor seine Existenz bestritten hatte, trug bestimmt nicht dazu bei, ihre Karriere zu retten, aber als sie die Stufen zur Tottenham Court Road Underground Station hinunterstieg, lächelte sie nichtsdestotrotz in sich hinein. Denn so viel war ihr klargeworden: Sie entwickelte sich langsam zu einer echten Plage für Paul Wise.
ACHTUNDFÜNFZIG
Es war Abend geworden, ich lag in meinem Krankenhausbett, und nachdem ich alle Pralinen aufgegessen hatte, war mir schlecht. Ich fragte mich, wie sie wohl reagieren würde, wenn ich sie bitten würde, mit mir auszugehen. Plötzlich klopfte es, und einen Augenblick später tauchte Captain Bobs kahlköpfiger Schädel in der Tür auf. Er trug einen leichten Kaschmir-Pulli mit V-Ausschnitt und eine Leinenhose und wirkte, als käme er geradewegs vom Golfplatz. Wahrscheinlich war es auch so.
»Mein Gott, haben Sie sich verändert«, sagte er, trat ans Bett und streckte mir eine knochige Hand entgegen, die ich widerstrebend ergriff. »Was haben Sie mit Ihren Haaren angestellt?«
Bei unserer letzten Begegnung hatte ich es kurz und hellbraun getragen, doch für die Wolfe-Operation hatte ich es wachsen und schwarz färben lassen. Außerdem hatte ich mir gewaltige Koteletten stehen lassen, die, wenn sie auch nur ein paar Zentimeter länger gewesen wären, als korrekter Amish-Bart durchgegangen wären.
»Ein Mann sollte immer versuchen, etwas aus seinem Haar zu machen«, sagte ich. »Aber ich schätze, das haben Sie inzwischen vergessen. Trotzdem danke, dass Sie gekommen sind, um nach mir zu sehen, Sir. Ich bin ja erst seit neun Tagen
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