Instinkt
sie gekommen war, nicht zuletzt weil ihre Mitglieder sich vor den Fernsehkameras abwechselten, um sich von ihrem gefallenen Amtskollegen – der sich nicht mehr wehren konnte – zu distanzieren und jeden Aspekt seines Daseins aufs Schärfste zu verurteilen. Aber für Paul Wise lagen die Dinge anders. Die Verbrechen, die er im Laufe der Jahre begangen hatte, hatten ihn schließlich eingeholt. Wie es schien, hatten die Ratten sich beeilt, das sinkende Schiff zu verlassen, und aus dem Establishment konnte er keine Unterstützung mehr erwarten. Er wurde als der Mastermind hinter der Kent-Verschwörung und einer Reihe anderer hochkarätiger Verbrechen ausgemacht. Obwohl es ihm bislang gelungen war, sich einer Auslieferung zu entziehen, indem er durch seine Anwälte alle Vorwürfe abstreiten ließ und drohte, potenzielle Zeugen, Polizei und Medien mit Verleumdungsklagen zu überziehen, gingen seine Drohungen und Dementis im Tsunami des politischen und öffentlichen Drucks unter, der auf die nordzypriotische Regierung und die Türkei, die dort de facto das Sagen hatte, ausgeübt wurde.
Wise war zum Gejagten geworden, den eine entfesselte Medienmeute hetzte, die nicht mehr von ihm ablassen würde, ehe er nicht vor den Schranken von Old Bailey stand. Deshalb hatte Tina allen Grund, zuversichtlich zu sein, dass die Jagd bald vorüber und das Wild zur Strecke gebracht sein würde.
Sie ließ die Zeitung sinken, da sie plötzlich kein Bedürfnis mehr verspürte, den Artikel zu lesen, und räkelte sich in ihrem Sitz. Sie freute sich auf die Wochen voller Ruhe und innerem Frieden und darauf, zumindest für einige Zeit von dem schäbigen, schmerzhaften Leben, das sie die letzten Jahre geführt hatte, befreit zu sein und frische Kräfte sammeln zu können.
Ehe sie zum Flughafen aufbrach, hatte sie allerdings noch einen Anruf von Mike Bolt erhalten, der sie unverblümt fragte, ob sie vorhabe, wieder in den Dienst zurückzukehren oder damit liebäugele, ein neues Leben zu beginnen.
Es war eine berechtigte Frage, über die sie in den vergangenen Wochen nachgegrübelt hatte. Doch im Grunde stand die Entscheidung längst fest, denn am Ende gab es nur eine Antwort.
»Natürlich komme ich zurück, verdammt.«
Danksagung
Dank an meine Agentin, Amanda Preston, und meine Lektorin, Selina Walker, die mir seit vielen Jahren eine große Hilfe sind.
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