Instrumentalität der Menschheit
den schlechten Eindruck beseitigen wollte, den sein Bruder gemacht hatte, sondern auch versuchte, seine eigene Besorgnis zu zerstreuen.
»Wir werden jetzt essen«, rief Madu fröhlich, und sie stand auf, um in das Eßzimmer zu gehen. Wieder bemerkte der Raumlord, daß sie das Thema wechselte.
2
In späteren Jahren erinnerte sich der Raumlord. Gedanken wirbelten in ihm auf. Oh, Xanadu, es gibt nichts in all den vielen Galaxien, das sich mit dir vergleichen ließe. Die schattenlosen Tage und Nächte, die baumlosen Ebenen, die plötzlichen regenlosen Gewitter aus Donner und Blitz, die auf geheimnisvolle Weise deinen Reiz erhöhen. Griselda. Das einzige unverfälschte Tier, das ich je kennenlernte. Das laute, dröhnende Schnurren, die weiche rosa Nase mit dem schwarzen Fleck auf einer Seite, die Augen, die die Maske meines Gesichtes zu durchdringen und in die Tiefen meines Ichs zu blicken schienen. Oh, Griselda, ich hoffe, daß du noch immer läufst und springst …
Aber jetzt, in den ersten Tagen auf Xanadu, die so schnell vergingen, wurde der Lord Kemal bin Permaiswari mit den zahllosen Freuden vertraut gemacht, die Xanadu bot.
Am Tag nach Kemals Ankunft fand ein Rennen statt, an dem Lari teilnahm. Das Element des Wettkampfes, das auf Xanadu Eingang gefunden hatte, war Teil einer bewußten Rückkehr zu den einfachen Vergnügungen, die die Menschheit in ihrer mechanisierten Umwelt vergessen hatte.
Die Menge im Stadion war heiter und ausgelassen. Die meisten der jungen Mädchen trugen ihr Haar offen, und sowohl die alten als auch die jungen Frauen waren mit den typischen Gewändern Xanadus bekleidet: knappe, kurze Röcke und ärmellose Westen. Auf den meisten Welten hätten die älteren Frauen grotesk oder zumindest lächerlich in dieser Kostümierung ausgesehen und die jüngeren wären unkeusch erschienen. Aber auf Xanadu war das Körperliche unschuldig und normal, und fast ohne Ausnahme hatten sich die Frauen von Xanadu, unabhängig von ihrem Alter, ihre liebliche, geschmeidige Figur bewahrt, und keine falsche Sittsamkeit verbarg den Blick auf ihre partielle Nacktheit.
Die meisten jungen Leute, ob nun männlich oder weiblich, trugen das glitzernde Körperpuder, das der Raumlord zuerst bei Madu entdeckt hatte; einige hatten das Puder auf ihrer Kleidung aufgetragen, andere auf ihrem Haar oder ihren Augen. Einige wenige benutzten farblosen, lumineszierenden Staub. Von ihnen allen erschien dem Raumlord Madu am lieblichsten.
Sie versprühte Erregung von einer Stärke, die sich auf Lord Kemal übertrug. Kuat schien von alldem unberührt zu sein.
»Wie kannst du nur so ruhig dasitzen?« fragte sie.
»Du weißt doch, daß der Junge gewinnen wird. Jedes Pferderennen ist aufregender.«
»Vielleicht für dich. Aber nicht für mich.«
Lord Kemal war interessiert. »Ein derartiges Rennen habe ich noch nie gesehen«, gestand er. »Worum geht es dabei? Läßt man die Pferde gegeneinander laufen, um festzustellen, welches das schnellste ist?«
Madu nickte zustimmend. »Auf ein Zeichen hin starten sie gleichzeitig und laufen eine vorgegebene Strecke. Jenes, das das Ziel als erstes erreicht, ist der Sieger. Er …« – sie nickte spielerisch Kuat zu – »… wettet gerne, und das heißt, man sagt voraus, welches Pferd gewinnen wird. Deshalb gefallen ihm Pferderennen mehr als Menschenrennen.«
»Und bei Menschenrennen wettet man nicht?«
»Oh, nein. Für menschliche Wesen wäre es beleidigend, auf ihre Fähigkeiten oder ihre Leistungen zu wetten!«
An diesem Tag fanden drei Rennen statt, und bei jedem verringerte sich das Feld der Teilnehmer. Schon beim ersten Lauf wurde es deutlich, daß es keinen wirklichen Wettkampf gab. Lari war den anderen so weit voraus, daß es fast verblüffend war. Wäre er nicht so offensichtlich ein hervorragender Läufer, hätte man leicht annehmen können, daß sich die anderen zurückhielten, um dem Bruder des Gouverneurs von Xanadu den Sieg zu schenken.
Kuat suchte das Zentrum des Stadions auf, um an der Nachahmung eines antiken Rituals von der alten Menschenheimat teilzunehmen, bei dem eine Krone aus goldenen Blättern auf Laris Haar gesetzt wurde.
Während seiner Abwesenheit vernahm Lord Kemal in seinem Rücken zahllose Flüsterstimmen und fing Satzfetzen wie »… tanzt mit den Aroi …«, »… der alte Gouverneur wird sich freuen …« und »… zu schlimm, daß seine Mutter …« auf. Madu schien sie nicht zu hören.
Nach den Feierlichkeiten und der Rückkehr des
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