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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Gouverneurs und seiner Begleitung in den Palast erinnerte sich Lord Kemal an die merkwürdigen Worte. Insbesondere verwirrte ihn das Tempus von »… der alte Gouverneur wird sich freuen …« und nicht hätte sich gefreut. Er ging ihm nicht aus dem Sinn und quälte ihn wie ein Splitter in einem entzündeten Finger. Seine Seele erholte sich noch von den Wunden der Angstmaschinen, und er durfte keine weitere Infektion riskieren.
    Während Kuat an seinem zweiten Glas Dju-di nippte, fragte Lord Kemal so gelassen wie möglich: »Wie lange sind Sie schon Gouverneur von Xanadu, Kuat?«
    Kuat blickte auf und registrierte die Spannung, die sich hinter der Gelassenheit der plötzlichen Frage verbarg.
    »Ich war noch ein Baby …« begann Lari.
    Kuat brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Seit vielen Jahren«, erklärte er. »Spielt die Zahl eine Rolle?«
    »Nein, ich war nur neugierig«, entgegnete der Raumlord und entschied sich, teilweise aufrichtig zu sein. »Ich dachte, das Amt des Gouverneurs von Xanadu sei erblich, aber heute habe ich etwas gehört, was mich glauben ließ, daß der alte Gouverneur, ihr Vater, noch immer leben würde.«
    Bevor Kuat ihn zum Schweigen bringen konnte, platzte Lari hervor: »Aber er lebt. Er ist bei den Aroi … deshalb ist meine Mutter …«
    Kuats finsterer Blick ließ ihn verstummen.
    »Diese Dinge gehen die Instrumentalität nichts an. Sie sind allein Angelegenheit Xanadus, und unsere lokalen Bräuche werden geschützt durch Artikel 376984, Absatz A, Paragraph 34 c des Vertrages, durch dessen Unterschrift sich Xanadu unter den Schutz der Instrumentalität begeben hat. Ich kann dem Lord versichern, daß allein lokale Angelegenheiten von gänzlich autochthonem Ursprung davon betroffen sind.«
    Lord Kemal nickte scheinbar zustimmend. Er spürte, daß er einen weiteren kleinen Zipfel des Geheimnisses gelüftet hatte, das ihn mehr als alles andere seit Styron IV beschäftigte.
     
3
     
    Am vierten Tag seiner Anwesenheit auf Xanadu unternahm Lord Kemal zusammen mit Madu und Lari seinen ersten Ausflug außerhalb der Stadtmauern seit seiner Ankunft. Inzwischen hatte ihn Zuneigung zu der Katze Griselda erfaßt. Es bereitete ihm außerordentliche Freude, wenn sie ein lautes, wohliges Schnurren abgab und sich hinlegte, damit er aufsteigen konnte, ohne daß dazu ein Befehl nötig war.
    Er sah Tiere in einem neuen Licht. Ihm war klargeworden, daß Untermenschen – modifizierte Tiere in der Gestalt von Menschen – weder das eine, noch das andere waren. Oh, es gab Untermenschen von großer Macht und hoher Intelligenz, aber … Er verfolgte den Gedanken nicht weiter.
    Gleichermaßen von Glück erfüllt, eilten sie über die Ebene. Windumpfiffen und baumlos, wie er war, besaß der kleine Planet eine einzigartige, wilde Schönheit. Die schwarze See brandete gegen die Kalkklippen. Beim Anblick der Sandflächen wurde Kemal erneut die Fremdartigkeit dieser Landschaft bewußt. In der Ferne sah er einen großen Vogel, wie er sich in den Himmel schwang, zu taumeln begann und stürzte.
    Später, viel später, als er den Computer mit den Daten jener Zeit und jenes Ortes fütterte, schrieb die Maschine ein Gedicht, das in allen Galaxien bekannt wurde:
     
    Auf einem Berg, so dunkel,
    Einsam unter Sterngefunkel,
    Machte der Adler Rast.
    Und der Wind pfiff und grollte,
    Der Donner rollte.
     
    Und des Sterngefunkels Fluch
    Bildete des Adlers Leichentuch,
    Während er zu Boden sank,
    Mit Schwingen, zerfetzt und krank.
     
    Und die Brandung
    Am Fuß
    Der Klippe
    War sacht
    In dieser Nacht
     
    Von der Schwingen
    Pracht
    Nach dem Sturz
    Des Vogels.
    Ich hörte
    Den Schrei.
     
    Vielleicht war es ein Beweis für die Tiefe seiner Gefühle, daß der Lord Kemal diese Daten dem Computer auf eine Weise eingab, die etwas von seinem Schmerz ausdrückte.
    Madu und Lari verfolgten ebenfalls den Sturz des Vogels, und ihre Ausgelassenheit wurde verdrängt von etwas, das sie nicht ganz verstehen konnten.
    »Aber warum?« flüsterte Madu. »Er flog so frei dahin wie wir auf unserem Ritt, wir sprangen so frei und glücklich, wie er aufstieg bei seinem Flug. Und jetzt …«
    »… und jetzt müssen wir ihn vergessen«, schloß der Raumlord mit einer Weisheit, die einer Geduld und Müdigkeit entstammte, von der er wünschte, sie nie gefühlt zu haben. Aber er konnte ihn nicht vergessen. Deshalb der Computer.
     
    Auf einem Berg, so dunkel …
     
    Langsamer nun, entsetzt vom Tod der Schönheit, des Lebens, setzten sie

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