Intelligenz unerwünscht
Meinung? Schnell, nicht lange überlegen. Ich möchte eine intuitive Auskunft des Unterbewußtseins«, drängte Reling. »Urteilen Sie vorerst rein gefühlsmäßig.«
»Ich würde das normalerweise für ein Gleitlager halten«, entgegnete ich spontan. »Für ein Vielstofflager von hoher Verschleißfestigkeit, verwendbar für hochbeanspruchte Kurbelwellen, Pleuelstangen oder Turbinen-Zwischenlager von extremer Maßfeinheit. Nur das Material …«
»Was ist mit dem Material?« drängte er weiter.
Die Wissenschaftler schauten mich prüfend an. Sie wußten bereits mehr als ich.
»Also, wenn Sie darauf bestehen: Das Material ist ungewöhnlich! Der Grundstoff bricht das Licht wie ein geschliffener Diamant, also wie ein Brillant. Wenn das aber ein Brillant sein sollte, so muß der ehemalige Roh-Körper mindestens zehnmal so umfangreich gewesen sein, oder man hätte das Lager in dieser Größenordnung niemals herausschleifen können. Von einer Bohrung im Sinne des Wortes dürfte bei dem Härtegrad doch wohl keine Rede sein, oder?«
»Warum nicht?« warf einer der anwesenden Physiker ein. »Einen laserähnlichen Thermodurchschuß verträgt auch ein Diamant nicht. Allerdings dürfte die Endgenauigkeit wohl nur durch einen Mikrofeinschliff erreichbar sein. Die Toleranzen liegen bei dem von uns angenommenen Meßwert bei plusminus fünfhunderttausendstel Millimeter. So genau arbeiten wir nicht einmal bei Mikromotoren im Steuermechanismus einer zielsuchenden Raumabwehrrakete. Etwas kommt aber noch hinzu: Kennen Sie einen Industriekonzern oder eine kleine, jedoch hochspezialisier te Fabrik, in der Gleitlager aus reinem Diamant hergestellt werden? Sie haben recht, das ist ein Diamant, oder – wenn Sie wegen des Schliffs so wollen – meinetwegen ein Brillant. Kennen Sie eine solche Firma?«
Ich legte das eigentümliche Lager auf den nächsten Tisch.
»Nein. Das dürfte im Arbeitsbereich meiner passiven Kollegen liegen. Ich kenne dafür den Regierungschef der nichtirdischen Orghs. Sagt Ihnen das etwas?«
»Entschuldigen Sie, Sir«, meinte der Physiker. »Die Spitze habe ich verdient. Vergessen Sie es.«
Ich winkte ab. Der Mann war jung und eifrig. Er würde sich sicherlich zu einem erstklassigen und menschlich angenehmen Mitarbeiter entwickeln.
Generaladmiral Argunson schaute mich lächelnd an. Er hatte die Zurechtweisung verstanden.
Reling gab sich burschikoser.
»Okay, damit wäre alles gesagt. Dieses Lager, denn etwas anderes kann es nicht sein, haben wir im Froschmannanzug des Toten gefunden. Das Werkstück ist Millionen wert. Personen, die seine Herkunft kennen, würden den zehnfachen Preis bezahlen. Was halten Sie von den Erkennungsspezialisten der GWA, Konnat?«
Wenn mir die sprunghaften Überlegungsvorgänge des Alten nicht vertraut gewesen wären, hätte ich ihn nun ebenso verwun dert, angeschaut wie die anderen Anwesenden. Da ich aber wußte, daß Reling niemals grundlos unsachlich wirkende Äußerungen mach te, heuchelte ich den Gelangweilten.
»Sehr viel, Sir. Fast so tüchtig, wie Ihre Kollegen vom Geheimdienst des ›Großasiatischen Staatenbundes‹. Verzeihung – natürlich noch tüchtiger.«
»Ihr Glück«, drohte Reling, das Diamantlager gegen das Licht haltend. »Unsere Menschheit ist alt, viel älter, als wir bisher angenommen haben«, fuhr er nachdenklich, fast feierlich fort. »Auf der Erde des Jahres 2010 leben acht Milliarden Menschen. Wenn wir nicht rechtzeitig die Geburtenkontrolle eingeführt hätten, wären es bereits zwölf Milliarden. Aber selbst wenn es so viele Erdbewohner gäbe, hätte jeder einen andern
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