Intensity
oder kleine, dicke Frauen mit schmalen Gesichtern. Und obwohl einige Leute als Adresse nur ihr Postfach angeben, findet sich bei den meisten die Straßenanschrift; dann braucht Mr. Vess nur noch ein paar gute Stadtpläne.) Am Ende seiner Fahrt, wenn er noch siebzig, achtzig Kilometer vom Wohnsitz des Opfers entfernt ist, schraubt er die Nummernschilder vom Wohnmobil ab. Er legt Wert darauf, schon weit vom Schauplatz seines Spiels entfernt zu sein, wenn jemand dessen Überreste findet. Später könnte er also nur aufgespürt werden, wenn jemand in der Nachbarschaft des Opfers das Wohnmobil bemerkt, einen Blick auf das Nummernschild wirft, obwohl es völlig harmlos wirkt, und – schon wieder der verdammte geplatzte Reifen – zufällig ein fotografisches Gedächtnis hat. Daher bringt er die Nummernschilder erst wieder an, wenn er unbehelligt nach Oregon zurückgekehrt ist.
Würde ein Polizist ihn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder eines anderen Verkehrsdelikts anhalten und auf die fehlenden Nummernschilder ansprechen, würde Mr. Vess Überraschung zum Ausdruck bringen und behaupten, sie müßten aus Gott weiß was für Gründen gestohlen worden sein. Er ist ein guter Schauspieler; seine Verwirrung würde überzeugend wirken. Ergäbe sich die Gelegenheit, den Cop zu töten, ohne sich damit ernsthaft in Gefahr zu bringen, würde er es tun. Und böte sich diese Gelegenheit nicht, könnte er höchstwahrscheinlich auf eine schnelle Lösung des Problems hoffen, indem er sich auf kollegiale Solidarität beruft.
Nun geht er in die Hocke und bringt eins der Nummernschilder auf dem dafür vorgesehenen Rechteck vorn am Fahrzeug an.
Nacheinander kommen die Hunde zu ihm, schnüffeln an seinen Händen und seiner Kleidung und sind vielleicht enttäuscht, nur die Gerüche von Aftershave und Geschirrspülmittel entdecken zu können. Sie hungern nach Aufmerksamkeit, sind aber im Dienst. Keiner von ihnen bleibt lange, jeder nimmt nach einem Tätscheln des Kopfes, einem Kraulen hinter den Ohren und einem freundlichen Wort seinen Rundgang wieder auf.
»Braver Hund«, sagt Mr. Vess zu jedem. »Braver Hund.«
Als er das vordere Nummernschild angebracht hat, steht er auf, streckt sich und gähnt, während er sein Reich betrachtet.
Zumindest auf Bodenhöhe hat der Wind sich gelegt. Die Luft ist ruhig und feucht. Sie riecht nach nassem Gras, Erde, verfaulenden abgestorbenen Blättern und Kiefernwald.
Nachdem es zu regnen aufgehört hat, hebt sich Nebel von den Ausläufern der Hügel und den niedrigen Flanken der Berge hinter dem Haus. Er kann weder die Gipfel der Bergkette im Westen noch die Schneedecke sehen, die noch auf den höheren Hängen liegt. Doch direkt über ihm und im Osten, wo der Nebel sich schon verzogen hat, sind die Wolken eher grau als gewitterschwarz, ein weiches Maulwurfsgrau, und ein kräftiger Höhenwind treibt sie schnell in südöstliche Richtung. Wie er es Ariel versprochen hat, kann man um Mitternacht vielleicht Sterne und sogar den Mond sehen, dessen Licht das hohe Gras der Wiese erhellt und in den milchigen Augen der toten Laura leuchtet.
Mr. Vess geht zum Heck des Wohnmobils, um das zweite Nummernschild anzubringen – und entdeckt seltsame Spuren auf der Auffahrt. Während er dasteht und sie betrachtet, legen sich tiefe Runzeln auf seine Stirn.
Die Auffahrt besteht aus Schiefer, doch während schwerer Wolkenbrüche wird Erde aus dem Garten gespült, durch den sie führt. Hier und da bildet sie eine dünne Haut auf dem Stein, nicht schlammig, aber dunkel und dicht.
In dieser Haut aus Morast befinden sich Hufabdrücke, vielleicht die eines Hirsches. Eines großen Hirsches. Er hat die Auffahrt mehr als einmal gekreuzt.
Er entdeckt eine Stelle, an der das Tier eine Weile stand und mit den Hufen scharrte.
In dem Schlamm sind keine Reifenspuren zu sehen; der Regen, der fiel, als er nach Hause kam, hat sie ausgelöscht. Offensichtlich sind die SRight click for menu to add groups and entries. Edit or re-order any item. Use right click in editor to select which entry to paste.puren des Tiers erst nach dem Sturm entstanden.
Er geht neben ihnen in die Hocke und legt die Finger auf den kalten Schlamm. Er fühlt die Härte und Glätte der Hufe, welche diese Spuren eingeprägt haben.
Die nahen Hügel und Wälder wimmeln geradezu vor Wild, doch da die Tiere Angst vor den Dobermännern haben, wagen sie sich nur selten auf Mr. Vess’ Grundstück.
Das ist das Eigentümlichste an den Hirschspuren: In
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