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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zu stützen, sprang auf den Absatz, in die Waschküche, vorbei an der Waschmaschine und dem Trockner. Und als sie dort die Hand auf den Knauf der geschlossenen Tür legte, erstarrte sie: Ihr war eingefallen, wie sie an diesem Morgen auf demselben Weg in die Küche gelaufen war, eingelullt vom Tatta-tatta-tatta des vibrierenden Wasserrohrs in der Wand, nur um von Vess aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden.
    Sie blieb auf der Schwelle stehen, bis ihr Atem sich beruhigte, war aber nicht imstande, ihren Herzschlag zu verlangsamen, der gerade eben, auf der steilen Treppe, noch vor Aufregung und Anstrengung gehämmert hatte, jetzt aber aus Furcht vor Edgler Vess. Sie lauschte eine Weile an der Tür, hörte außer dem dumpfen Schlagen in ihrer Brust nichts und drehte den Knauf so verstohlen wie möglich.
    Die Scharniere funktionierten einwandfrei und lautlos, und die Tür öffnete sich in die Küche, die so dunkel war, wie sie sie zurückgelassen hatte. Sie fand den Lichtschalter, zögerte, betätigte ihn dann – und Vess wartete nicht auf sie.
    Würde sie je in ihrem Leben wieder imstande sein, durch eine Tür zu gehen, ohne zusammenzuzucken?
    Aus einer Schublade, in der Chyna zuvor einen Satz Messer gesehen hatte, holte sie ein großes Fleischermesser mit einem abgenutzten Nußbaumgriff. Sie legte es neben der Spüle auf die Arbeitsfläche.
    Sie holte ein großes Glas aus einem anderen Schrank, füllte es mit Wasser aus dem Hahn, trank mit langen Schlucken und nahm das Glas erst von den Lippen, als sie es gänzlich geleert hatte. Nichts, was sie je getrunken hatte, war so köstlich gewesen wie dieser Viertelliter.
    Im Kühlschrank fand sie einen noch originalverpackten Rührkuchen mit weißem Zuckerguß, Zimt und Walnüssen. Sie riß die Verpackung auf und brach ein großes Stück des Kuchens ab. Sie stand über der Spüle und schlang, stopfte sich den Mund voll, bis ihre Wangen sich ausbeulten, leckte gierig Zuckerguß von den Lippen, und Krümel und Walnußbrocken fielen in die Spüle.
    Während sie aß, befand sie sich in einem ungewöhnlichen Geisteszustand: Erst stöhnte sie vor Freude, dann erstickte sie fast an ihrem Gelächter, mal würgte sie und stand am Rand der Tränen, dann lachte sie wieder. Ein Sturm der Gefühle. Aber das war schon in Ordnung. Stürme gingen früher oder später vorbei, und sie hatten stets eine reinigende Wirkung.
    Sie war so weit gekommen. Und doch mußte sie noch so weit gehen. Das war die Natur der Reise.
    Vom Gewürzregal nahm sie die Flasche Aspirin. Sie schüttelte zwei Tabletten auf ihre Handfläche, kaute sie aber nicht. Sie füllte das Glas erneut und spülte die Aspirin mit dem Wasser herunter, und dann noch zwei.
    »I did it my way«, sang sie nach Sinatras bekanntem Lied, und dann fügte sie hinzu: »Ich habe die verdammten Aspirin auf meine Weise genommen.« Sie lachte, aß noch einen Brokken Kuchen und fühlte sich einen Augenblick lang berauscht von ihrer eigenen Leistung.
    Da draußen in der Nacht sind Hunde, mahnte sie sich dann, Dobermänner in der Dunkelheit, verdammte Nazi-Hunde mit großen Zähnen und Augen, so schwarz wie Haiaugen.
    An einem Schlüsselbrett neben dem Gewürzregal hingen die Schlüssel des Wohnmobils an einem von vier Haken; die anderen waren leer. Vess war mit den Schlüsseln für die schalldichte Zelle natürlich sehr vorsichtig und trug sie zweifellos ständig bei sich.
    Sie nahm das Fleischermesser und den Rest des Kuchens und ging zum Keller. Hinter sich schaltete sie das Licht aus.
    Angel und Beschlaghülse.
    Chyna kannte diese beiden exotischen Wörter, wie sie so viele andere kannte, weil sie ihnen als Mädchen in den Büchern von C. S. Lewis und Madeleine L’Engle und Robert Louis Stevenson und Kenneth Grahame begegnet war. Und jedesmal, wenn sie auf ein Wort gestoßen war, das sie nicht kannte, hatte sie es in der zerfledderten Taschenbuchausgabe eines Wörterbuchs nachgeschlagen, einem sehr geschätzten Besitz, den sie überall in mitnahm, wohin ihre rastlose Mutter sie schleppte, Jahr für Jahr, bis das Buch schließlich von so viel alterssprödem Klebeband zusammengehalten wurde, daß sie einige der Definitionen durch die vergilbten Plastikstreifen kaum mehr lesen konnte.
    Angel. Das war der Name des Stifts in einem Scharnier, der sich drehte, wenn eine Tür geöffnet oder geschlossen wurde.
    Hülse. Das war die Hülle oder der Mantel, worin die Angel sich bewegte.
    Die dicke Innentür des schalldichten Vorraums war mit drei

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