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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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umgehen konnte. Was auch immer ihre Mutter und Woltz über ihr taten, es war sowohl angsteinflößend als auch zutiefst traurig und von einer schrecklichen Bedeutung, nicht weniger seltsam oder mächtig als der Donner, der den Himmel über dem Golf zerriß, und die Blitze, die aus dem Himmel zur Erde geschleudert wurden.
    Chyna hatte die Augen geschlossen, um die Blitze und die achtlos abgelegten Kleidungsstücke nicht sehen zu müssen. Sie versuchte, den Geruch von Staub und Schimmel und Bier und Schweiß und der parfümierten Badeseife ihrer Mutter nicht zur Kenntnis zu nehmen, und stellte sich vor, in ihren Ohren sei Wachs, das den Donner dämpfte und das Trommeln des Regens auf dem Dach und die Geräusche, die Anne und Woltz machten. So klein, wie sie sich machte, mußte sie sich eigentlich durch eine schmale magische Pforte in den Wilden Wald zwängen können.
    Doch es gelang ihr nicht einmal ansatzweise, denn Woltz brachte das schmale Bett so stark zum Schaukeln, daß Chyna ganz bewußt ihre Atmung auf den Rhythmus abstimmen mußte, den er eingeleitet hatte. Wenn das Bettgestell und die Latten unter der vollen Wucht seines Gewichts und seiner Stöße hinabgedrückt wurden, drückten sie Chyna so hart gegen den kahlen Holzboden, daß ihre Brust schmerzte und ihre Lungen sich nicht mehr ausdehnen konnten. Sie konnte nur einatmen, wenn er sich hob, und wenn er hinabstieß, zwang er sie praktisch zum Ausatmen. So ging es ziemlich lange weiter – zumindest kam es ihr ziemlich lange vor –, und als es endlich aufhörte, lag Chyna zitternd und schweißnaß da, taub vor Schrecken, verzweifelt bemüht, sofort zu vergessen, was sie gehört hatte, und erstaunt, daß ihr der Atem nicht für immer aus den Lungen gepreßt worden und ihr Herz nicht geplatzt war. In ihrer Hand befanden sich die Überreste des Palmetto-Käfers, den sie zerquetscht hatte, ohne es zu merken. Eiterähnliche Lymphe sickerte zwischen ihren Fingern hervor, ein widerwärtiger Schleim, der anfangs vielleicht warm aus dem Käfer gequollen war, nun jedoch kalt war, und ihr drehte sich vor Übelkeit angesichts der fremdartigen Beschaffenheit des Zeugs der Magen um.
    Nach einer Weile, nach einer Flut von Gemurmel und leisem Gelächter, stieg Anne aus dem Bett, sammelte ihre Kleidungsstücke auf und ging durch die Diele ins Bad. Als die Badezimmertür sich schloß, schaltete Woltz eine kleine Nachttischlampe ein, verlagerte sein Gewicht auf dem Bett und beugte sich über die Seite. Sein Gesicht tauchte auf den Kopf gestellt vor Chyna auf. Das Licht war hinter ihm, und sein Gesicht war überschattet, abgesehen von einem dunkeln Funkeln in seinen Augen. Er grinste sie an. »Wie geht’s dem Geburtstagskind?« fragte er. Chyna konnte weder sprechen, noch sich bewegen, und hatte das Gefühl, daß die Nässe in ihrer Hand ein blutiger Köderbrocken war. Sie wußte, daß Woltz Hackfleisch aus ihr machen, sie in Stücke hauen und in Ködereimer stecken und aufs Meer fahren und sie an die Haie verfüttern würde, weil er es ja zu ihrer Mutter gesagt hatte. Doch statt dessen war er einfach aus dem Bett gestiegen – aus ihrer Perspektive sah sie wieder nur die Füße –, hatte sich in seine Jeans gezwängt, die Sandalen angezogen und war hinausgegangen.
    In Edgler Vess’ Keller, Tausende von Kilometern und achtzehn Jahre von diesem Abend in Key West entfernt, sah Chyna, daß Ariel die elektrische Bohrmaschine endlich anstarrte , statt durch sie hindurchzusehen.
    »Ich weiß nicht, wie lange ich unter dem Bett geblieben bin«, fuhr sie fort. »Vielleicht ein paar Minuten, vielleicht eine Stunde. Ich habe ihn und meine Mutter dann wieder in der Küche gehört, wie sie sprachen und lachten, eine Flasche Bier aufmachten und einen Wodka-Lemon für sie mixten. Und da war irgend etwas in ihrem Gelächter … ein schmutziges, leises, boshaftes Kichern … Ich bin mir nicht sicher … aber irgend etwas in diesem Gelächter verriet mir, sie hat genau gewußt, daß ich mich dort unter dem Bett versteckte, hat es gewußt, aber trotzdem mitgemacht, als Woltz ihre Bluse aufknöpfte.«
    Sie sah ihre gefesselten Hände auf der Werkbank an.
    Sie konnte die Lymphe des Käfers fühlen, als sickerte sie in diesem Augenblick durch ihre Finger. Als sie das Insekt zerquetscht hatte, hatte sie damit auch die letzten Reste ihrer eigenen zerbrechlichen Unschuld und alle Hoffnung darauf zermalmt, ihrer Mutter eine Tochter sein zu können; doch nach diesem Abend hatte sie noch Jahre

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